Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln
lief »Calendar« im Fernsehen, während sie in der Küche damit beschäftigt war, einen Salat anzurichten. Da sich der Fernseher im Wohnzimmer befand, hörte sie normalerweise einfach nur zu, aber heute Abend erregte ein Bericht ihre Aufmerksamkeit und zog sie aus der Küche. Mit der Salatschüssel in der Hand blieb sie vor dem Fernseher stehen und schaute ungläubig zu.
Brenda Scupham und eine Frau, die wie eine Zigeunerin aussah, wurden auf einer Couch sitzend interviewt. Die Einführung hatte Susan verpasst, aber sie sprachen über Hellseherei. Brenda, in einer engen, zitronengelben Chiffonbluse und einem schwarzen, für eine besorgte Mutter viel zu kurzen Minirock, starrte ausdruckslos in die Kamera, während die andere Frau erklärte, wie Gegenstände, die den Menschen lieb und teuer waren, übersinnliche Spuren von ihnen aufwiesen und als Verbindung ins Jenseits dienten.
Gelegentlich nickte Brenda zustimmend. Als der Moderator Richard Whiteley sich an sie wandte und sie fragte, was sie darüber denke, antwortete sie: »Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht.« Dann schaute sie die andere Frau an. »Aber ich bin überzeugt, dass meine Gemma noch am Leben ist, und ich flehe jeden, der weiß, wo sie ist, an, sie zu ihrer Mutter zurückzulassen. Sie werden nicht bestraft, das verspreche ich.«
»Was ist mit der Polizei?«, fragte er. »Was glaubt die Polizei?«
Brenda schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Ich glaube, sie halten sie für tot. Seit sie ihre Sachen gefunden haben, haben sie meine Tochter anscheinend aufgegeben.«
Ohne einen Gedanken an den Salat zu verschwenden, ließ sich Susan in den Sessel fallen. Verdammt noch mal, dachte sie, daran wird Superintendent Gristhorpe seine helle Freude haben.
* NEUN
* I
Gristhorpe war tatsächlich wütend, als er von Brenda Scuphams Fernsehauftritt hörte. Da er selbst keinen Fernsehapparat besaß, erfuhr er allerdings erst am Mittwochmorgen davon.
»Es ist jetzt über eine Woche her, dass Gemma Scupham verschwunden ist«, sagte er kopfschüttelnd bei Kaffee und getoasteten Teacakes im Golden Grill zu Banks. »Ich kann wirklich nicht behaupten, dass ich noch viel Hoffnung habe. Besonders seit wir ihre Sachen gefunden haben.«
»Ich auch nicht«, stimmte Banks zu. »Aber irgend so eine verdammte Hellseherin hat Brenda Scupham davon überzeugt, dass Gemma noch lebt. Und wem würde man an ihrer Stelle lieber glauben?«
»Da hast du wohl Recht. Auf jeden Fall reimt sich alles zusammen: das verlassene Ferienhaus, der ausgeliehene Wagen, das Haarfärbemittel. Wir haben Beschreibungen von den Manleys herausgegeben, auch in der Aufmachung als Peterson und Brown. Irgendwo muss es doch jemanden geben, der sie kennt. Wie steht es bei dir?«
Banks trank einen Schluck heißen schwarzen Kaffee. »Keine wesentlichen Neuigkeiten. Das Labor hat endlich die Untersuchung des Tatorts abgeschlossen. Das Blut in der Schmelzhütte stimmt mit dem von Johnson überein, also können wir ziemlich sicher davon ausgehen, dass er dort getötet worden ist. Glendenning sagt, es handelte sich um einen mit der rechten Hand geführten Stich nach oben. Eine neun Zentimeter lange Klinge, Schneide auf einer Seite. Wahrscheinlich eine Art Fahrtenmesser und du weißt, wie verbreitet die sind. Es gibt keine brauchbaren Fußspuren oder Reifenabdrücke; die Waffe haben sie auch nicht gefunden. Ich werde noch einmal Harkness aufsuchen, obwohl ich nicht glaube, dass es viel bringt.«
»Glaubst du, er hat es getan?«
»Abgesehen von dem geheimnisvollen Fremden, der beim Verlassen von Johnsons Haus gesehen wurde, ist er meine einzige Spur. Ich sage mir die ganze Zeit, dass der Mann noch lange kein Mörder sein muss, nur weil ich ihn nicht leiden kann. Aber niemand wird so reich, ohne sich ein paar Feinde zu machen. Und Johnson war ein Gauner. Er könnte ihm irgendwie in die Quere gekommen sein.«
»Vielleicht hast du Recht. Aber sei vorsichtig, das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist, dass mir der Polizeipräsident im Nacken sitzt.«
Banks lachte. »Du kennst mich doch. Die Diplomatie in Person.«
»Na gut ... Ich werde bei Mrs Scupham vorbeischauen. Mal sehen, ob ich ihr ein bisschen Vernunft eintrichtern kann. Außerdem will ich mir diese verfluchte Hellseherin vorknöpfen. Ich habe Phil losgeschickt, um sie zu suchen.« Er schaute hinaus. Ein feiner Nebelschleier lag vor dem
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