Inspector Alan Banks 07 Die letzte Rechnung
sich ein besorgter Blick seiner eisblauen Augen. Er war allein in seinem Laden.
»Mario, alter Kumpel«, sagte Hatchley. »Lange nicht gesehen.«
»Von mir aus hätte es auch dabei bleiben können«, brummte Mario und stellte den Karton beiseite. »Was kann ich für Sie tun?«
»Kein Grund, so schlecht gelaunt zu sein. Wie läuft das Geschäft?« Hatchley holte eine Zigarette hervor und zündete sie an.
»Hier drinnen ist das Rauchen verboten.«
Hatchley ignorierte ihn. »Ich habe gefragt, wie das Geschäft läuft.«
Mario starrte ihn einen Augenblick an und schaute dann weg. »Bescheiden.«
»Machst du noch viele Spezialgeschäfte?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Hören Sie, wenn Sie nur zum Plaudern hergekommen sind, ich bin beschäftigt.«
Hatchley schaute sich übertrieben ausführlich im Laden um. »Sieht mir nicht so aus, Mario.«
»Einen Laden zu führen bedeutet mehr, als nur Kunden zu bedienen.«
»Sobald du uns ein paar Fragen beantwortet hast, kannst du dich wieder an die Arbeit machen.« Er beschrieb den Mann mit der Kapuzenmütze. »Hast du so jemanden hier gesehen? Gehört er zu deinen Kunden?«
»Ein bisschen schwammig, die Beschreibung.«
»Stimmt, aber konzentriere dich auf die Augen. Der Kerl müsste dir ungefähr bis zum Kinn gehen. Die arme, irregeleitete Seele steht auf rasierte Muschis, und ich weiß, dass du solche Magazine auf Lager hast.«
»Das konnten Sie nie beweisen.«
»Ach, hör auf damit! Du bist nur noch im Geschäft, weil du mir im Laufe der Jahre ein paar Gefälligkeiten erwiesen hast. Das ist der einzige Grund, denke daran. Du bist Pornohändler. Du weißt, dass ich Pornohändler nicht mag, Mario. Ich finde sie noch widerlicher als einen Haufen Hundescheiße an meinen Schuhen.«
Hatchley traf für sich ein paar sehr feine Unterscheidungen, dachte Susan; er fällte ein paar interessante moralische Urteile. Offensichtlich war für ihn die einfache Darstellung von nacktem Fleisch in Ordnung, aber alles, was weiter ging, war Pornografie. Er war eigentlich ein Puritaner, wenn man es genau nahm.
Sie beobachtete, wie Mario von einem Fuß auf den anderen trat. In seinen Augen sah sie nun noch etwas anderes als Misstrauen. Sie sah, dass er in Hatchleys Beschreibung jemanden wieder erkannte oder dass er zumindest eine Vermutung hatte. Auch Hatchley war das aufgefallen. Und sie sah Angst in Marios Blick.
Hatchley ließ seine Zigarette auf den Boden fallen und trat sie aus. »Susan«, sagte er, »würden Sie bitte das >Geschlossen<-Schild aufhängen?«
»Das können Sie nicht tun«, protestierte Mario und kam um den Tresen herum, um Susan aufzuhalten. Hatchley verstellte ihm den Weg. Er war ungefähr genauso groß und gut fünfzehn Kilogramm schwerer. Mario blieb stehen. Susan ging zur Tür und drehte das Schild um.
»Sie könnten eigentlich auch gleich den Riegel zuschieben und die Jalousien runterlassen«, meinte Hatchley. »Es ist ja sowieso nichts los hier.«
Susan tat, was er sagte.
»Okay.« Hatchley nahm Mario ins Visier. »Wie heißt er?«
»Wer? Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
»Meine Kollegin und ich sind nicht bescheuert. Wir sind Ermittlungsbeamte. Da heißt, wir ermitteln. Und ich habe ermittelt, dass du lügst. Wie lautet sein Name?«
Mario sah blass aus. Auf seiner Stirn sammelten sich Schweißperlen. Er tat Susan fast Leid. Fast. »Ehrlich, Mr. Hatchley, ich weiß nicht, was Sie meinen«, stammelte er. »Ich betreibe hier ein ehrliches Geschäft. Ich ...«
Bevor er ausreden konnte, hatte Hatchley ihn am Kragen seines Kittels gepackt und gegen die Regale gestoßen. Ein Glas Pulverkaffee fiel zu Boden und zersprang, Konservenbüchsen purzelten herunter und rollten durch den Laden, eine Spaghettipackung platzte auf.
»Passen Sie doch auf!«, schrie Mario. »Das kostet alles Geld.«
Hatchley stieß ihn noch härter gegen das Regal und verdrehte den Kragen des Kittels. Marios Gesicht wurde rot. Susan begann sich Sorgen zu machen, er könnte einen Herzinfarkt bekommen. Bei so einer Sache wäre sie lieber nicht dabei gewesen. Sie hatte Angst, dass Gristhorpe es erfahren würde und man sie mit Schimpf und Schande aus dem Polizeidienst entließ. Dann hörte sie, wie jemand von draußen an der Tür rüttelte. Eine innere Stimme flehte sie an, etwas zu unternehmen. »Sir«, sagte sie ruhig, »Vielleicht möchte Mr. Nelson uns etwas
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