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Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel

Titel: Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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stattgefunden haben, während Deborah Harrison um ihr Leben gekämpft hat?«
      »Das könnte der Fall gewesen sein.«
      Jerome Lawrence verneigte sich ölig. »Vielen Dank, Dr. Tasker.«
     
     

* ZWÖLF
     
    * I
     
    Nichts hätte Owen auf den Schock vorbereiten können, Michelle im Zuschauerraum sitzen zu sehen, als er sich auf dem Weg in den Zeugenstand nervös im Gerichtssaal umschaute.
      Sein Herz hämmerte gegen die Rippen. Er hatte das Gefühl, als hätte sich ein riesiger Vogel in seinem Körper eingenistet, der jetzt an seinem Brustkorb und seiner Kehle kratzte und pochte, mit seinen Flügeln schlug und versuchte, wieder herauszukommen. Sie war immer noch schön, und sie hatte immer noch die Macht, ein heftiges Verlangen in ihm auszulösen.
      Michelle sah noch jünger aus als damals, als sie zusammen gewesen waren, fand Owen: wie eine Fünfzehnoder Sechzehnjährige. Kein Make-up trübte ihre zarte Alabasterhaut und ähnlich der Schuluniform von St. Mary's trug sie einen kastanienbraunen Blazer und eine schlichte weiße Bluse.
      Mit ihrem blonden schulterlangen Haar, das die gleiche Farbe und die gleiche Länge wie Deborah Harrisons Haar hatte, ähnelte sie der Deborah auf den Bildern in den Zeitungen. Ihre Lippen, die die Farbe des Fruchtfleisches einer Erdbeere hatten, waren zu einem kindlichen Schmollen geschlossen. Ihre ganze Haltung drückte Unschuld und Unreife aus. Owen fragte sich, ob die Leute wussten, wer sie war. Sie saß neben einem Mann, den er vorher schon oft dort gesehen hatte. Ein Reporter, vermutete Owen.
      Er versuchte, sie nicht anzuschauen. Warum war sie hier? Hatte die Staatsanwaltschaft sie eingeschleust, um ihn durcheinander zu bringen? Ihm war bereits bewusst geworden, dass er Teil eines Dramas, eines Theaterereignisses war, und in wenigen Tagen würden die Preise für die beste schauspielerische Leistung überreicht werden. Spielte auch Michelle eine Rolle in diesem Stück? Sie würde nicht in den Zeugenstand treten - dafür hatte Shirley Castle gesorgt -, was also hatte sie im Gerichtssaal verloren?
      Ihre Anwesenheit lenkte ihn so sehr ab, dass er zuerst nicht gehört hatte, wie Shirley Castle ihn aufrief, um auszusagen. Dann bat ihn der Richter in den Zeugenstand.
      Shirley Castle verbrachte mehr als einen Tag damit, die Ereignisse dieses verhängnisvollen Montagabends im November mit ihm durchzugehen, wobei sie genauso behutsam vorging wie damals im Verhörzimmer des Gefängnisses. Während sie sprach, war er ruhig und gefasst, und er hoffte, dass die Geschworenen das nicht als Gefühllosigkeit auslegten.
      Soweit er es beurteilen konnte, hörte ihm »Minerva« mit einer vor Konzentration leicht gerunzelten Stirn sehr sachlich zu. Die meisten der anderen schienen ebenfalls aufmerksam zuzuhören, ein paar hatten allerdings einen ungläubigen Zug um den Mund, diesen »Erzähl-mir-nichts«Ausdruck, den er in letzter Zeit sofort wahrzunehmen gelernt hatte. Gelegentlich schaute er verstohlen hinüber zu Michelle, die sich hin und wieder zur Seite wandte und hinter vorgehaltener Hand mit dem Reporter neben sich sprach.
      Am nächsten Tag, nachdem Shirley Castle fertig damit war, ihm, so kam es Owen vor, eine angemessene und glaubwürdige Darlegung der Ereignisse zu entlocken, stand Jerome Lawrence schwerfällig auf. »Eigentlich ist es völlig überflüssig«, gaben Lawrence' lustlose, leidgeprüfte Bewegungen zu verstehen, »uns mit dieser Sache abzugeben, denn Sie und ich, werte Damen und Herren Geschworenen, wissen genau, dass er schuldig ist, aber die Pflicht verlangt es von uns, der Form halber dieses Verfahren abzuhalten.« Owen schaute in den Zuschauerraum und sah, dass Michelle wieder im Gericht war.
      Lawrence begann am Vormittag mit einer Reihe belangloser Fragen und kam nach der Mittagspause schließlich auf die Umstände des Verbrechens zu sprechen. »Mr Pierce«, sagte er, »Sie haben den Geschworenen erzählt, dass Sie zwischen sechs Uhr und halb sieben Uhr am 6. November des vergangenen Jahres im Nebel in der Umgebung von St. Mary's in Eastvale spazieren gegangen und eine gewisse Zeit auf der Brücke gestanden sind. Stimmt das?«
      »Ja.«
      »Waren Sie betrunken, Mr Pierce?«
      »Nicht im Geringsten.«
      »Sie haben - lassen Sie mich nachschauen - zwei Pints Bier und einen doppelten Scotch im Nag's Head getrunken, ist das richtig?«
      Owen zuckte mit den Achseln. »Ich glaube.«
      »Und Sie waren nicht

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