Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
gewundert, wenn seine Füße durch die Stufen verschwunden wären. In dem Großraumbüro im Erdgeschoss verstummten alle und beobachteten ihn, als er vorbeiging, und er hatte das Gefühl, schwerelos im Weltraum zu schweben. Er konnte nur noch verschwommen sehen und sein Kopf begann sich zu drehen, als hätte er zu viel getrunken; doch ehe er stolperte und hinfiel, spürte er Banks' starke Hand an seinem Ellbogen, die ihn zur Treppe lenkte.
»Alles in Ordnung, Owen«, sagte Banks. »Wir trinken jetzt einen starken Kaffee und unterhalten uns. Sie haben nichts mehr zu befürchten.«
Anstatt ihn in ein düsteres, stinkendes Verhörzimmer zu bringen, wie Owen fast erwartet hatte, führte ihn Banks in ein Büro, das sein eigenes sein musste. Es war zwar nicht feudal, aber es hatte einen Schreibtisch aus Metall, einige dazu passende Aktenschränke und zwei komfortable Stühle.
An der Wand hing ein Dalesman-Kalender, auf dem Juniblatt war ein Foto von einigen Wanderern mit schweren Rucksäcken zu sehen, die sich Gordale Scar nahe Malham näherten. Komischerweise kam Owen sofort in den Sinn, dass er mehr aus dem Foto gemacht hätte. Die Jalousien waren hochgezogen, und bevor er sich hinsetzte, warf Owen einen kurzen Blick auf den gepflasterten Marktplatz, der mit Autos voll geparkt war. Freiheit! Er setzte sich hin. Gott, war er müde!
»Was ist passiert?«, fragte er.
»Sie sind überwacht worden«, sagte Banks.
»Was? Dann war also ... Ich meine, haben Sie mich überwacht?
»Nicht ich, aber Sie wurden überwacht. Haben Sie etwas bemerkt?«
»Manchmal hatte ich so ein komisches Gefühl. Aber dass ich es bemerkt habe, kann ich wirklich nicht behaupten.« Owen begann zu lachen.
»Was ist?«, fragte Banks.
Owen wischte sich mit einem Arm über die Augen. »Ach, nichts. Aber ist das nicht eine Ironie des Schicksals? Ich wurde überwacht, weil Sie glaubten, ich hätte ein Verbrechen begangen, und dann stellt sich heraus, dass mir die Überwachung ein Alibi liefert. Finden Sie das nicht komisch?«
Banks lächelte. »Ja, das ist eine Ironie. Aber ein junges Mädchen ist getötet worden. Auf schreckliche Weise. Genau wie Deborah Harrison.«
»Ich weiß. Darüber habe ich auch nicht gelacht. Und ich habe nichts damit zu tun. Ich weiß nicht, wie ich Ihnen helfen kann.«
»Ich glaube, Sie können mir helfen. Ich nehme an, dass Sie in den letzten paar Tagen schon oft über das Problem nachgedacht haben.«
»Über welches Problem?«
Banks beugte sich vor und legte seine Hände auf die Schreibtischunterlage. »Wollen Sie, dass ich es ausspreche? Gut. Wir haben Sie einerseits deshalb verhaftet, Owen, weil Sie vorher wegen eines sehr ähnlichen Verbrechens angeklagt worden sind, und andererseits, weil wir am Tatort stichhaltige Beweise gegen Sie gefunden haben. Alles deutet darauf hin, dass wir es in beiden Fällen mit ein und demselben Mörder zu tun haben, und beide Male haben wir Beweise gegen Sie gefunden.«
»Die Fingerabdrücke und die Haare? Ja. Sie haben Recht: Ich habe tatsächlich darüber nachgedacht, wie es dazu kommen konnte.«
»Haben Sie eine Ahnung?«
Owen schüttelte den Kopf. »Ich war ja in Skieid und wahrscheinlich bin ich an der Stelle vorbeigekommen, wo ... Sie wissen schon. Es könnte natürlich sein, dass ich dort so einen Filmbehälter verloren habe, aber ich glaube nicht, dass ich einen dabeihatte. Ich habe Ihnen ja erzählt, was mit meinen Kameras passiert ist. Ich hatte keine dabei. Und was die Haare angeht, die kann ich natürlich auch beim Wandern verloren haben, aber ich kann mir nicht erklären, wie sie auf die Kleidung des Opfers gelangt sind. Außer ...«
»Ja?«
Der Kaffee wurde gebracht. Banks schenkte ein. Owen blies erst in seine Tasse, bevor er einen Schluck trank. »Der ist gut. Danke. - Ich weiß«, fuhr er fort, »dass es verrückt klingt, sogar paranoid, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie es sonst passiert ist. Außer jemand, der wahre Mörder, wollte sich meinen schlechten Ruf zu Nutze machen und mir die Schuld in die Schuhe schieben, denn er wusste, dass jeder mich für den Schuldigen halten würde. Ich kann mir nur vorstellen, dass jemand mir den Mord an Ellen Gilchrist anhängen wollte.«
Banks begann mit seinem Stift auf die Schreibtischunterlage zu klopfen. »Fahren Sie fort«, bat er.
»Gut, wenn man diese Prämisse akzeptiert, dann muss der mutmaßliche Täter in mein Haus
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