Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
KGB.
Barry Stott hatte nicht gekündigt, er hatte aber einige Tage Urlaub genommen. Gott wusste, wo er war! Er rang wohl irgendwo mit seinem Gewissen, vermutete Banks. In Banks' Augen reagierte Stott allerdings über. Er hatte sich ein bisschen besessen auf Pierce' Schuld versteift. Na und? Solche Dinge kamen vor und sie zogen selten Konsequenzen nach sich. Schließlich hatte Stott Pierce nur beobachtet, er hatte ihn weder verprügelt noch erschossen.
Trotz der Arbeitsstunden, die eine Mordermittlung verschlang, ging die alltägliche Routine im Eastvaler Revier weiter und das eine oder andere Rundschreiben fand seinen Weg auf Banks' Schreibtisch. An diesem Dienstagnachmittag, als er durch seine Gedanken an Ellen Gilchrist, Deborah Harrison, Barry Stott und Owen Pierce abgelenkt war, gelangte ein Schreiben auf seinen Schreibtisch, das aufgrund eines Berichts über die Zunahme von Autodiebstählen in North Yorkshire anregte, jeden Streifenwagen mit Computern auszurüsten.
Da Banks nicht weiter darüber nachdachte und die Worte eher in den chaotischen, intuitiven und kreativen Teil seines Gehirns strömten, anstatt seine Vernunft und Logik anzusprechen, überkam ihn das seltene Gefühl, Weihnachten und Ostern würden auf einen Tag fallen, ein Gefühl, das sich einstellte, wenn ein fehlendes Teil seinen Platz im Puzzle gefunden hatte. Es war so, als würde die gleichzeitige Vermischung und Erweiterung einer Kette unzusammenhängender Worte zu einem zwingenden Schluss führen. Jedes einzelne Element purzelte wie die Bälle mit den Lottozahlen präzis an seine Stelle: Auto. Computer. Diebstahl. Spinks. Im Grunde war es natürlich keine Intuition, sondern ein völlig logischer Vorgang, in welchem eine Reihe von Fakten in einen sinnvollen Zusammenhang gestellt wurden. Es erschien lediglich wie eine plötzliche Eingebung.
Am Freitag, als Banks John Spinks nach Michael Clayton und Sylvie Harrison gefragt hatte, hatte es vor seiner Nase gelegen. Aber er hatte es nicht gesehen. Am Samstag, nach seinem Gespräch mit Clayton, hatte er gespürt, dass er einer Sache sehr nahe kam. Aber er hatte nicht gewusst, was es war. Jetzt wusste er es. Er musste noch ein paar Daten überprüfen; aber als er das Rundschreiben beiseite schob, war er sich sicher, dass John Spinks im August des vergangenen Jahres Michael Claytons Auto und Computer gestohlen hatte. Ob das allerdings etwas zu bedeuten hatte, blieb abzuwarten.
Aufgewühlt durch diese Theorie, überprüfte Banks die Daten und stürzte in Gristhorpes Büro, wo er den Superintendent vertieft in die Aussage von Ellen Gilchrists bester Freundin vorfand. Als Banks eintrat, streckte sich Gristhorpe und rieb mit den Fingerspitzen seine buschigen Augenbrauen. Danach sahen sie aus wie Vogelnester.
»Alan. Was kann ich für dich tun?«
Banks erklärte ihm seine Argumentationskette. Gristhorpe nickte ab und zu, und als Banks geendet hatte, legte er seinen Zeigefinger an die Lippen und zog die Stirn in Falten.
»Lady Sylvie Harrison und Michael Clayton haben also am 17. August Spinks und Deborah beim Weintrinken im Garten erwischt, richtig?«, sagte er.
Banks nickte.
»Und Clayton hat seinen Wagen am 20. August als gestohlen gemeldet. Ich erinnere mich daran, denn als er vorbeikam, um sich nach unseren Ermittlungen zu erkundigen, hat er sich aufgeführt, als wäre er so wichtig, dass der ranghöchste Beamte an den Fall gesetzt werden müsste. Bei einem simplen Autodiebstahl. Ich bitte dich!«
»Ich bin überrascht, dass er nicht direkt zu Jimmy Riddle gegangen ist.«
»Das hat er gemacht, was glaubst du denn! Gleich als Erstes. Aber Riddle sitzt in Northallerton, und da jeden Tag hinzufahren, war Clayton zu weit. Deshalb hat Riddle ihm gesagt, er soll sich an mich wenden. Ich habe Barry und Susan an die Sache gesetzt. Clayton war völlig aus dem Häuschen. Aber nicht wegen des Wagens.«
»Sondern wegen des Computers?«
»Ganz genau.«
»Ja. Das hat Susan auch gesagt«, grübelte Banks. »Als Clayton sie damals erkannt hat, als wir mit den Harrisons sprechen wollten. Ich hätte damals schon darauf kommen müssen.«
Gristhorpe lächelte nachsichtig. »Ich glaube, das kann man dir verzeihen, Alan«, sagte er. »Seid ihr nicht zur gleichen Zeit auf die Spur von Pierce gekommen?«
»Ja, aber ...«
»Wie auch immer, nehmen wir einmal an, dass Spinks am 20. August Claytons Wagen gestohlen hat«, fuhr Gristhorpe
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