Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
eingeschlafen.«
»Und er hat Sie nicht bemerkt?«
»Keine Ahnung. Ich habe keinen großen Aufwand betrieben, um mich zu verstecken, aber er hat nichts gesagt.«
»Aber warum, Barry?«
Stott strich sein Haar mit einer Hand glatt und zuckte dann mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Besessenheit wahrscheinlich. Ich konnte mich einfach nicht bremsen. Ich war mir so sicher, dass er schuldig war, so sicher, dass er das Gericht getäuscht hat ... Und ich wusste, dass er es wieder tun würde. So ein Verbrechen begeht man nicht nur einmal. Ich konnte es fühlen. Ich wollte dafür sorgen, dass er nicht noch ein Mädchen umbringt. Ich dachte, wenn ich ihn beobachte, ihn im Auge behalte, dann würde ich ihn entweder schnappen oder davon abhalten. Wenn er wüsste, was ich vorhabe, würde er es nicht noch einmal tun können und die Spannung würde unerträglich werden. Dann hätte er vielleicht gestanden. Ich habe nicht mehr klar gedacht.«
Banks drückte seine Zigarette aus. »Aber warum, Barry? Sie sind ein guter Polizist. Gescheit, fleißig, vernünftig. Sie haben alle Prüfungen bestanden. Sie haben sogar einen Universitätsabschluss. Sie wollen Karriere machen. Das hätten Sie nicht tun dürfen.«
Stott zuckte mit den Achseln. »Ich weiß, ich weiß. Ich kann es nicht erklären. Irgendetwas ... ist in mich gefahren. Wie gesagt, ich dachte, wenn ich ihn lange genug beobachte, würde ich ihn auf die eine oder andere Weise kriegen.«
Banks schüttelte den Kopf. »Okay. Gehen wir die Sache einmal genau durch. Sie haben am Samstagabend vor Owen Pierce' Haus geparkt?«
»Ja.«
»Wann?«
»Ab fünf Uhr ungefähr.«
»Bis?«
»Bis zirka halb drei am Morgen, als er das Licht ausgeschaltet hat. Er ist die ganze Zeit nicht weggegangen, außer gegen neun, um sich irgendwas zu trinken zu kaufen.«
»Sie sind sich absolut sicher?«
»Absolut. Die Vorhänge waren nicht ganz zugezogen. Immer wenn er aufgestanden ist, konnte ich ihn ganz deutlich sehen. Er hat im Wohnzimmer ferngesehen, aber ab und zu ist er aufgestanden, um zur Toilette zu gehen, sich einen Drink einzuschenken und so weiter.«
»Und Sie sind sich sicher, dass er die ganze Zeit zu Hause war? Er ist nicht hinten rausgeschlichen und wieder zurückgekommen?«
Stott schüttelte den Kopf. »Er war zu Hause, Sir. In dem entscheidenden Zeitraum. Definitiv. Zwischen halb elf und Mitternacht habe ich ihn zweimal aufstehen und durchs Zimmer gehen sehen.«
»Und Sie sind sich sicher, dass es nicht jemand anderes gewesen sein könnte?«
»Ganz sicher. Außerdem stand die ganze Zeit sein Wagen vor der Tür.«
Das hatte nicht viel zu bedeuten. Pierce hätte für das Verbrechen einen Wagen gestohlen und danach zurückgebracht haben können, anstatt das Risiko einzugehen, seinen eigenen Wagen zu benutzen, von dem jemand die Nummer hätte aufschreiben können. Während ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, hatte Banks erneut ein irritierendes Déja-vu-Gefühl. Als er neulich die Akten des Falles gelesen hatte, war es ihm genauso gegangen. Es konnte eigentlich kein Déja-vu sein, denn es war nichts, was er schon einmal erlebt hatte, aber es löste die gleiche Irritation aus.
»Was ist dann passiert?«, fragte er.
»Er muss vor dem Fernseher eingeschlafen sein, wie immer. Ich konnte das Licht des Bildschirms sehen. Um fünf vor zwei, bei Sendeschluss, hat der Bildschirm nur noch geflimmert, aber Pierce hat sich erst um halb drei wieder gerührt. Dann hat er die Vorhänge ganz zugezogen, das Licht ausgemacht und ist nach oben ins Bett gegangen. Das war alles.«
»Das war alles} Himmelherrgott, Barry, haben Sie eigentlich eine Ahnung, was Sie getan haben?«
»Selbstverständlich. Aber ich musste es sagen. Ich habe die ganze Nacht Gewissensbisse gehabt. Ich hätte es schon gestern sagen und Pierce eine weitere Nacht im Gefängnis ersparen sollen, aber ich habe es nicht getan. Ich habe es nicht gewagt. Damit muss ich leben. Ich muss zugeben, dass ich mir teilweise Sorgen um die Konsequenzen für meine Karriere gemacht habe, aber ich habe auch versucht, mich davon zu überzeugen, dass ich mich doch geirrt haben könnte, dass er es doch getan haben könnte. Aber das ist unmöglich. Er ist unschuldig, genau wie er es gesagt hat.«
Banks schüttelte den Kopf. »Ich sehe keine Möglichkeit, diese Sache zu vertuschen, Barry. Ich bin mir nicht sicher, was passieren
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