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Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel

Titel: Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Michelle war auf ihr Sofa gestolpert. Sie trug einen dunkelblauen Morgenrock aus Seide, der sich vorne geöffnet hatte. Schnell zog sie den Revers zusammen und sah ihn an.
      »Du?! Was zum Teufel willst du?« In ihrer Stimme lag eher Wut als Angst.
      »Das ist wirklich eine gute Frage, nach allem, was du getan hast.«
      »Du hast getrunken. Du bist betrunken.«
      »Na und?«
      »Ich rufe die Polizei.«
      Michelle stürzte zum Telefon, doch Owen kam ihr zuvor und stieß es von seinem Ständer. Die Sache entwickelte sich in eine Richtung, die er nicht gewollt hatte. Er hatte einfach mit ihr reden wollen, hatte herausfinden wollen, was sie gegen ihn hatte, aber sie machte es schwierig.
      Ein paar Augenblicke standen sie sich gegenüber wie Jäger und Wild, stumm, schwer atmend, angespannt, dann lief sie zur Tür. Owen kam ihr zuvor und schubste sie weg. Dieses Mal kippte sie nach hinten gegen die Lehne des Sofas. Owen ging auf sie zu. Ihr Morgenrock war über ihre Oberschenkel gerutscht, an ihren Lenden aufgegangen und entblößte das Dreieck aus lockigem blondem Haar. Owen blieb stehen. Michelle sah ihn kalt und verächtlich an, bedeckte sich und setzte sich hin.
      »Na schön «, sagte sie und schob ihr Haar hinter die Ohren. »Du bist also hier. Ich muss zugeben, dass ich ein bisschen überrascht bin, aber vielleicht sollte ich das nicht.« Sie nahm eine Zigarette, zündete sie mit einem schweren Tischfeuerzeug an und blies den Rauch durch die Nase. Er erinnerte sich, wie sich im Bett nach dem Liebesakt in ihrem Atem immer der Tabakgeruch mit dem Zahnpastageschmack vermischt hatte. »Warum setzt du dich nicht?«, meinte sie.
      »Hast du keine Angst?«
      Michelle lachte und steckte ihre kleine rosafarbene Zunge zwischen die Zähne. »Sollte ich?«
      Ihre blauen Augen schauten kalt und beherrscht. Ihr langer, weicher Hals erhob sich elegant und anmutig aus dem Morgenrock. Auch mit vierundzwanzig sah sie noch wie ein Teenager aus. Zum Teil lag es an ihrer makellosen Marmorhaut, an der fein geschnittenen Nase und dem Mund, auf dessen zarten Linien jeder Bildhauer stolz gewesen wäre.
      Aber vor allem lag es an ihrem Charakter, erkannte Owen, nicht an ihrem Aussehen. Sie war der grausame Teenager, ein kleines Mädchen, das sich in Obszönitäten erging, die Anführerin, die sich fortwährend neue Grausamkeiten einfallen ließ, immer neue Reize, und die nicht einen Pfifferling auf die Gefühle derjenigen gab, die sie schikanierte und verhöhnte.
      »Wenn du wirklich glaubst, dass ich diese Frauen ermordet habe, dann müsstest du eigentlich Angst haben«, sagte er. »Sie sahen so aus wie du.«
      »Du hast mich durch eine Stellvertreterin getötet. Ist es das, was du mir sagen willst?«
      »Kannst du mir einen guten Grund nennen, warum ich es nicht hätte tun sollen? Aber nein - du hast keine Angst, weil du weißt, dass ich es nicht getan habe. Habe ich Recht?«
      »Tja«, sagte Michelle, »ich muss zugeben, dass es mir schwer fiel, zu glauben, dass du den Mut dazu gehabt hast. Aber da war ich in der irrigen Annahme, man bräuchte Mut, um eine Frau zu erwürgen.«
      »Und du hast festgestellt, dass man keinen Mut braucht?«
      Sie runzelte die Stirn. »Was meinst du damit?«
      »Du hast es getan, nicht wahr, Michelle? Bei der Ersten, bei Deborah Harrison, bin ich mir nicht sicher, aber die Zweite hast du umgebracht, stimmt's? Du hast sie getötet, um mir den Mord anzuhängen. Oder du hast jemanden dazu gebracht, es für dich zu tun.«
      Michelle lachte und schaute wieder zur Tür. »Du bist verrückt«, sagte sie. »Paranoid. Wenn du glaubst, ich würde so etwas tun und mich in solche Schwierigkeiten bringen, dann bist du völlig verrückt.« Sie stand auf und ging zum Cocktailschrank. Der Morgenmantel schlug raschelnd gegen ihre Beine. Owen blieb dicht bei ihr. »Ich würde dir etwas zu trinken anbieten«, sagte sie, »aber ich glaube, du hast schon genug gehabt.«
      »Warum hast du es getan, Michelle? Warum, um Himmels willen?«
      Sie hob ihre Augenbrauen. »Warum habe ich was getan?«
      »Du weißt genau, was ich meine. Du hast das Mädchen getötet, um mich in Schwierigkeiten zu bringen. Du bist in mein Haus eingebrochen, hast den Filmbehälter mit meinen Fingerabdrücken gestohlen und Haare von meinem Kissen genommen. Dann hast du alles verwüstet, damit es wie eine Vergeltungstat aussieht.«
      Michelle schüttelte den Kopf. »Du bist verrückt.«

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