Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
Sie goss reichlich Scotch in ein Kristallglas. Owen sah, dass ihre Hand dabei zitterte.
»Und was du der Polizei über uns erzählt hast«, machte er weiter. »Das Zeug in den Zeitungen. Warum hast du diese Lügen über mich verbreitet?«
»Sie haben gut gezahlt.« Sie lachte. »Nicht die Polizei - die Zeitungen. Und ich habe niemanden getötet. Sei kein Idiot, Owen. So etwas könnte ich niemals tun. Außerdem habe ich keine Lügen verbreitet.«
»Du weißt genau, dass es nicht so gewesen ist.«
»Das ist alles eine Frage der Sichtweise, Owen. Für mich ist es so gewesen. Ich gebe gerne zu, dass deine Sichtweise vielleicht eine andere ist. Tut mir Leid. Ich weiß, dass ich nicht so undankbar sein sollte. Du hast mir im College geholfen. Du hast mich finanziell unterstützt, ich konnte bei dir wohnen und mit Sicherheit hast du mir bei meinen Noten geholfen. Eine Zeit lang hat es Spaß gemacht ... Aber du hattest kein Recht, mir nachzuspionieren und mir überallhin zu folgen, wo ich hingegangen bin. Ich war nicht dein Besitz. Und du hattest kein Recht, mich einfach so auf die Straße zu setzen. So hat mich noch nie jemand behandelt.« Ihre Augen funkelten wie Eis.
»Spaß ... eine Zeit lang? Michelle, ich habe dich geliebt. Wir haben ... Ich kann nicht glauben, was du da sagst. Als hätte es nichts bedeutet. Warum hasst du mich so sehr?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Ich hasse dich nicht. Du interessierst mich einfach einen feuchten Dreck.«
»Du Miststück!«
Owen machte einen Schritt auf sie zu. Sie blieb neben dem Schrank stehen und nippte an ihrem Drink. Dann warf sie mit einer ruckartigen Kopfbewegung ihre Haare wieder über die Schulter. Eine Geste, an die er sich erinnerte. Sie sah ihn mit einem verächtlichen Zug um den Mund von oben herab an.
»Ach, komm schon, Owen«, sagte sie und wickelte den Gürtel ihres Morgenmantels um einen Finger. »Das kannst du doch besser. Oder nicht? Musst du mittlerweile schon kleine Schulmädchen ermorden, um einen hochzukriegen?« Ihr Lächeln regte ihn auf - ein bisschen schief, mit eisigen Augen und durch und durch böse. »Ich bin ja froh, dass du endlich etwas gefunden hast, was dich anmacht. Was willst du jetzt tun, Owen? Willst du mich auch umbringen? Weißt du was? Ich glaube nicht, dass du es kannst. Deswegen musstest du diese Mädchen umbringen und dir vorstellen, sie wären ich. Stimmt doch, Owen, oder?«
Owen riss ihr das Glas aus der Hand und stürzte den Scotch in einem Zug hinunter.
»Musst du dir noch mehr Mut antrinken? Trotzdem glaube ich nicht...«
Er hätte nicht sagen können, wie es passierte. In einem Moment betrachtete er noch sein Spiegelbild in ihren Pupillen, im nächsten hatte er schon seine Hände um ihren Hals gelegt. Er stieß sie gegen den Schrank und schmiss dabei Flaschen und Gläser um. Sie wollte in seine Augen krallen, aber ihre Arme waren nicht lang genug. Sie kratzte und zerrte an seinen Handgelenken und gab röchelnde Laute von sich. Ihre Füße berührten den Boden nicht mehr, nach hinten über den Schrank gebogen trat sie nach ihm.
Er würgte sie für alles, was sie ihm jemals angetan hatte: dafür, eine untreue Nutte zu sein, die für jeden die Beine breit machte, der sie in ein teures Restaurant einlud; dafür, dass sie dem ganzen Land erzählt hatte, er wäre ein kranker Perverser, der ins Gefängnis gehörte, wenn das Rechtssystem wirklich mit aller Härte durchgreifen würde; dafür, ihm die Morde angehängt zu haben.
Und er würgte sie auch für alles andere: für die Demütigung und Erniedrigung im Gefängnis, für den Verlust seiner Freunde und seiner Stellung. Das ganze Gebäude, das einmal sein Leben gewesen war, hatte sich in Luft aufgelöst, und zurückgeblieben war nur noch Wut, die durch seine Adern strömte. Für all das würgte er sie und dafür, ihn wie einen Trottel zu behandeln, wie jemanden, den sie nach Belieben um den kleinen Finger wickeln und herumkommandieren konnte. Jemanden, dem sie nicht einmal so viel Mut zutraute, sie umzubringen.
Er drückte seine Finger tief in ihre Kehle. Einer ihrer wilden Tritte traf ihn zwischen die Beine. Er zuckte vor Schmerzen zusammen, drückte aber weiter zu und stieß sie heftig gegen die Wand. Sie saß auf dem Schrank zwischen Glasscherben und verschüttetem Alkohol, ihre Beine wie in einer Parodie des Geschlechtsaktes um ihn geschlungen. Er roch Gin und Whisky. Unter ihren Schenkeln war der Morgenrock
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