Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
vorgestellt hatte. Sie war tatsächlich sehr sauber, wie ein öffentliches Pissoir weiß gefliest und von Glühlampen hell erleuchtet, die mit Maschendraht geschützt waren.
Die Zelle enthielt ein schmales, an Wand und Boden befestigtes Bett mit einer dünnen Matratze, ein Waschbecken und eine brillenlose Toilette aus orangefarbenem Kunststoff. Es gab nur ein Fenster, weit oben in der Wand und tief eingelassen, das ungefähr dreißig Zentimeter groß und fast ebenso dick war. In der Tür befand sich eine Klappe, durch die man den Häftling beobachten konnte. Unter dem Geruch nach Desinfektionsmittel lauerte ein leichter Mief nach altem Schweiß.
»Tut mir Leid, dass es keinen Fernseher gibt«, sagte einer der Wärter, »aber Sie können etwas zum Lesen haben, wenn Sie wollen. Vielleicht ein Buch oder eine Zeitschrift?« Er wandte sich an seinen Kollegen. »Jock hier hat bestimmt noch ein oder zwei Ausgaben vom Playboy in seinem Schreibtisch versteckt.«
Owen ging auf die spöttische Bemerkung nicht ein. Er schüttelte nur den Kopf und schaute sich erstaunt in der Zelle um.
»Hunger?«, fragte der Wärter.
Als er darüber nachdachte, bemerkte Owen, dass er tatsächlich hungrig war. Er bejahte.
»Das Tagesgericht ist heute Steak und Nierenpastete. Oder Fish and Chips, Wurst und ...«
»Steak und Nierenpastete klingt gut«, sagte Owen.
»Einen Becher Tee? Mit Milch und Zucker?«
Owen nickte. Das ist doch völlig absurd, dachte er und konnte kaum ein Lachen unterdrücken. Da sitze ich hier in einer Zelle im Keller des Eastvaler Polizeireviers und gebe eine Bestellung für Steak und Nierenpastete und einen Becher Tee auf!
»Sie werden nicht lange hier bleiben«, sagte der Wärter. »Und wenn nicht gerade Wochenende wäre, hätten wir Sie morgen vor dem Hahnenkrähen schon wieder oben. Und nur damit Sie wissen, dass Sie ordentlich behandelt werden: Sie kriegen drei anständige Mahlzeiten am Tag, ein bisschen Bewegung, wenn erwünscht, was zum Lesen, Stift und Papier, wenn Sie wollen ...«
»Wir dürfen ihm keinen Stift geben, Ted«, warf Jock ein. »Er könnte ... du weißt schon ... Erinnerst du dich an den Kerl, der ...?« Er fuhr sich mit seinem Zeigefinger über die Kehle und machte einen glucksenden Laut.
»Ach ja, stimmt.« Ted wandte sich wieder an Owen. »Wir hatten hier mal einen Kerl, der hat versucht, sich die Kehle mit einem Füller aufzuschlitzen. Hässliche Sache. Und ein anderer hat sich einen Bleistift genau ins Auge gerammt. Einen gelben HB-Bleistift, wenn ich mich richtig erinnere.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Tut mir Leid, mein Freund, Sie müssen auf eine Schreiberlaubnis warten. Es ist ja unsere Verantwortung, verstehen Sie. Aber wenn Sie irgendetwas anderes wollen, lassen Sie es uns wissen. Wie ich immer sage, einfach nur klingeln und nach dem Zimmerservice fragen.«
Die beiden lachten und gingen hinaus auf den Flur. Hinter ihnen knallte die schwere Tür zu.
* III
»Und was denken Sie, Sir?«, fragte Susan über den Lärm hinweg und reichte Banks das Pint, das sie ihm gerade ausgegeben hatte.
»Danke. Sieht aus, als hätte ich mich getäuscht, nicht wahr?«, sagte Banks achselzuckend.
Dröhnende Gespräche und schallendes Gelächter erfüllten am Samstagabend das Queen's Arms. Da das Gerücht durchgesickert war, dass der »Würger von Eastvale« in Untersuchungshaft saß, war die Welt wieder in Ordnung. Eltern konnten wieder ruhig schlafen, so gut wie jedes Telefon, Fax und Modem in der Stadt war von der Presse belegt, und diejenigen Polizisten, die keinen Dienst hatten, feierten ihren Erfolg. Es fehlten nur noch Feuerwerk und Blaskapelle.
Banks saß neben Susan Gay, Hatchley und Stott nicht weit von ihnen. Stott strahlte wie ein Honigkuchenpferd.
Kurz vorher hatte Chief Constable Riddle das Revier besucht, auf diverse Schultern geklopft und vor den Medien geprahlt. Er hatte sich weder die Gelegenheit entgehen lassen, Banks für die Belästigung der Harrisons zu verwarnen, noch hatte er es versäumt, Stott für seine Hauptrolle bei dieser wahrscheinlich schnellsten Verhaftung eines Sexualmörders aller Zeiten zu loben.
Dieses Mal wollte Riddle persönlich die Harrisons aufsuchen und ihnen erzählen, dass er vor allem dank der Bemühungen des neuen Mitglieds der Eastvaler Kriminalpolizei, Detective Inspector Barry Stott, einen Mann wegen des Mordes an Deborah verhaftet
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