Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
Stott, über einen von Hatchleys Witzen lachte. Banks bedauerte nicht, ihn verpasst zu haben, er hatte alle seine Witze schon gehört, mindestens fünf Mal.
Als er wieder auf seinen Platz rutschte, dankte ihm Susan für den Drink. »Was hatte sie denn?«, fragte sie.
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Banks. »Ich vermute, ich habe Sie gekränkt. Oder sie ist reizbar geworden, weil sie nichts mehr trinkt.«
»Solange sie sich nicht beim Chief Constable beschwert ... Was passiert als Nächstes, Sir?«
»Als Nächstes müssen wir, glaube ich, mehr darüber herausfinden, was für ein Mensch Pierce ist. Wir haben immer noch kein Motiv. Er hat uns gefragt, weshalb er ein solches Verbrechen hätte begehen sollen, und es ist unsere Pflicht, diese Frage zu beantworten. Wenn nicht für ihn, dann für den Richter.«
»Aber Sir, wenn es ein Sexualmord war, brauchen wir doch eigentlich kein Motiv, oder? Da kann man doch keine rationale Erklärung erwarten.«
»Kam Ihnen Owen Pierce verrückt vor?«
»Das ist eine sehr schwierige Frage«, erwiderte Susan langsam. »Über eine solche Frage streiten sich die Fachleute vor Gericht.«
»Ich verlange keine offizielle Aussage. Wir sind hier unter uns. Mich interessiert Ihre persönliche Beobachtung, Ihre Intuition als Polizistin.«
Susan nippte an ihrem Port mit Lemon. »Also, um mal damit anzufangen: Er war nervös, unruhig, aggressiv und durcheinander.«
»Würden Sie sich nicht genauso fühlen, wenn Sie unter Mordanklage ständen und verhört würden?«
Susan zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung, Sir. Ich war noch nie in der Situation. Aber wenn man nichts zu verbergen hat ... Wenn man die Wahrheit sagt ... Warum nervös werden?«
»Weil jeder glaubt, dass man es getan hat. Und weil man völlig machtlos ist. Wir haben die Macht. Im Grunde haben wir Pierce so lange unter Druck gesetzt, bis er so durcheinander war, dass er sich wie ein Schuldiger verhalten hat.«
»Wollen Sie damit sagen, Sie glauben nicht, dass er es getan hat, Sir?«
Banks kratzte die Narbe neben seinem rechten Auge. Sie juckte. Manchmal bedeutete das etwas, manchmal nicht. Er wünschte nur, er wüsste, wann es etwas bedeutete und wann nicht. »Nein. Ich will nur sagen, dass jeder irgendetwas zu verbergen hat. Jeder kriegt sofort ein schlechtes Gewissen, wenn er von der Polizei angehalten und verhört wird, egal ob er etwas verbrochen hat oder nicht. Unter einem solchen Druck würde so gut wie jeder reagieren wie Pierce.« Banks zündete sich eine Zigarette an und blies langsam den Rauch aus, sorgsam darauf bedacht, Susan nicht vollzuqualmen, und trank dann einen großen Schluck Bier.
»Aber Sie zweifeln an seiner Schuld?«
Banks schnalzte mit der Zunge. »Das dürfte ich eigentlich nicht, oder? Immerhin habe ich ihn verhaftet. Der Fall scheint abgeschlossen zu sein. Trotzdem bin ich etwas skeptisch. Die ganze Sache mit Pierce ist unglaublich schnell gegangen. Es gibt aber immer noch eine Menge ungelöster Probleme. Zum Beispiel was Deborah angeht. Erinnern Sie sich? Jelacics Alibi ist im Grunde nicht wasserdicht. Und dann haben wir da das Dreiecksverhältnis von Daniel und Rebecca Charters und Patrick Metcalfe. Eine der brisantesten Verbindungen, die mir je untergekommen sind. Und dann John Spinks, auch einer, der zu Gewaltausbrüchen neigt. Nehmen Sie dazu den geöffneten Ranzen sowie Michael Clayton, der die Hälfte seiner Zeit mit Sylvie Harrison verbringt, während ihr Mann unterwegs ist, und es bleiben eine Menge unbeantworteter Fragen.«
»Ja, Sir, aber sind diese Fragen denn noch von Bedeutung, wo wir jetzt Pierce und die Haar- und Blutproben haben?«
Banks zuckte mit den Achseln. »Haar- und Blutproben sind nicht unfehlbar. Aber Sie haben wahrscheinlich Recht. Manchmal würde ich mir wünschen, ich könnte die offizielle Version einfach so hinnehmen.«
»Aber Sie stimmen doch zu, dass Pierce es getan haben könnte?«
»Aber ja. Wahrscheinlich hat er es auch getan. Wir haben weder an Charters' noch an Jelacics Kleidung Spuren gefunden. Und Pierce war auf jeden Fall in der Gegend. Außerdem hat er etwas an sich, was auf eine merkwürdige Weise mit dem Verbrechen harmonisiert. Ich weiß nicht, wie ich es besser ausdrücken soll.«
»Interessant, was Sie da sagen, Sir. Ich muss zugeben, dass ich ihn ein bisschen unheimlich fand.«
»Ja. Ein Teil von ihm kann das, was mit Deborah Harrison geschehen
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