Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
etwas unterschlagen hatte, sowie eine nervös aussehende, schick gekleidete junge Frau, die an ihrer Lippe kaute. Eine Kleptomanin?
Ein anderer Mann am Tresen warf einem der Beamten vor, dass man es nur auf ihn abgesehen hätte, weil er schwarz war. Der Betrunkene hielt in seinem Lied inne und schaute hinüber. »Das ist auch verdammt richtig so!«, schrie er. »Geh doch zurück in den Scheißdschungel, wo du herkommst, Bimbo!« Dann übergab er sich in einem grellen Schwall über den ganzen Tisch, sank hinab auf seine Knie, krallte die Hände in seinen Bauch und begann zu wimmern. Fluchend machte der Sergeant einen Satz zurück, war aber nicht schnell genug, um zu verhindern, dass einige Spritzer des Erbrochenen auf seiner Uniform landeten.
»Schmeißt das Arschloch raus!«, brüllte er. Bei der unheimlichen Akustik des Raumes schwoll seine Stimme an, hallte durchdringend und erstarb dann plötzlich.
Adrenalin schoss durch Owens Adern. Er holte ein paar Mal tief Luft, um sich zu beruhigen, und wäre durch den Gestank des Erbrochenen und durch das ammoniakhaltige Putzmittel, das ihm in die Nase stieg, fast ohnmächtig geworden.
Ein Beamter schrieb mit einem schwarzen Filzstift Namen, Nummern, Anklagen und Zeiten an eine weiße Tafel. Poster bedeckten die Wände: Eines warnte mit einer Grafik vor den möglichen Folgen von Alkohol am Steuer, eines informierte Häftlinge über ihre Rechte, ein drittes stellte Zeichensprache dar und ein weiteres wies die Beamten an, wegen möglicher Infizierung mit Aids oder Hepatitis B Handschuhe zu tragen, wenn sie mit Erbrochenem oder Blut in Berührung kamen.
Zwei Beamte schleppten den Betrunkenen hinaus, und ein anderer begann, die Sauerei mit einem Mopp, einem Lappen und einem Eimer Lysol aufzuwischen. Er trug Plastikhandschuhe. Auf das ausgebleichte grüne Linoleum war Blut getropft. Selbst die Skinheads sahen unter diesen Umständen eingeschüchtert aus.
Owen versuchte sich die ganze Zeit einzureden, dass der Alptraum jeden Moment enden und er aufwachen und sich wie der Rest der Menschheit beim samstäglichen Einkauf wiederfinden würde. Vielleicht würde er zu HMV im Swainsdale-Center gehen und sich die neue CD von Van Morrison kaufen. Dann vielleicht ein, zwei Pints und zur Feier des Tages ein schönes Essen beim Chinesen oder beim Inder. Allein, so wie er es am liebsten mochte.
Oder vielleicht würden sich die Polizisten wie in einem Stück von Dennis Potter gleich ihre Uniformen vom Leibe reißen und ihre Clownskostüme darunter präsentieren und Stott würde anfangen zu singen und zu tanzen.
Sobald der leitende Sergeant frei war, ging Stott zu ihm, sprach kurz mit ihm und bedeutete Owen, an den Tresen zu kommen. Daraufhin verschwand Stott.
»Leeren Sie bitte Ihre Taschen«, sagte der Sergeant, nachdem er Owens Personalien aufgenommen hatte.
Owen leerte seine Taschen auf den Tisch. Viel steckte nicht in ihnen: Schlüssel, Brieftasche, drei Pfund und achtundsechzig Pence Kleingeld, Scheckbuch, Bankautomatenund Kreditkarte, ein paar zusammengeknüllte Einkaufszettel und ein alter Busfahrschein, der schon ein paar Mal mitgewaschen worden war, sein goldener Cross-Füllfederhalter, der kleine Terminkalender samt Adressbuch von Lett's, an dessen Rücken ein Bleistift klemmte, drei Stück Dentyne-Kaugummi sowie ein paar Fussel.
Der Sergeant blätterte durch Owens Terminkalender. Bis auf einige Adresseneinträge war er leer. Als Nächstes schaute er in Owens Brieftasche. »Auch nicht viel«, stellte er fest und legte sie zu den anderen Sachen in einen Plastikbeutel. Er hielt den Füller zwischen Daumen und Zeigefinger und verkündete: »Nach Gold aussehender Füllfederhalter.«
»Es ist Gold«, berichtigte Owen. »Der sieht nicht nur nach Gold aus.«
»Leider haben wir hier keinen Schätzer, Kumpel«, sagte der Sergeant. »Nach Gold aussehend.« Er ließ den Füller in den Beutel fallen.
Bevor sie den Beutel versiegelten, tastete ein Constable Owen ab, um nachzuprüfen, ob er noch etwas versteckt hatte.
»Sollen wir in seinem Arsch nachschauen, Sir?«, fragte er den Sergeant, als er fertig war.
Der Sergeant schaute erst Owen, dann den Constable an, als würde er den Vorschlag ernsthaft in Erwägung ziehen. »Nee«, entschied er. »Ich habe keinen Bock auf rektale Untersuchungen. Drecksarbeit. Man weiß nie, was man findet. Bringen Sie ihn ins Studio.«
Du lieber Gott, dachte Owen, die hatten richtig
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