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Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel

Titel: Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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»dann könnten wir diese Aussage der Frau vielleicht als Beweismaterial durchkriegen. Abhängig vom Richter natürlich. Kennen Sie einen Psychologen, den Sie dafür zu Rate ziehen können? Was ist mit dieser jungen Frau, mit der ich Sie mal im Queen's Arms gesehen habe? Ziemlich junges Ding. Eine Rothaarige. War die nicht Psychologin?«
      »Jenny Füller?«
      »Genau die.«
      »Sie ist Psychologin. Aber sie hat gerade einen Lehrauftrag in Amerika und kommt erst nach Weihnachten zurück.«
      »Das reicht doch völlig. Keine Eile, mein Lieber, keine Eile. Für einen Prozess haben wir bereits genug. Wir brauchen nur etwas, um den Beweisantrag leichter durchzukriegen.«
      »Dann werden Sie also Anklage erheben?«
      Oakes trank ein paar Schlucke Kaffee, schaute auf die Papiere und schniefte einige Male. »Ich denke schon«, sagte er nach einer Ewigkeit. Dann nickte er. »Doch, doch, ich glaube, wir haben da einen guten Fall. Was meinen Sie, Denise?«
      Denise Campbell nickte. »Schnappen wir uns den Scheißkerl«, sagte sie. Dann errötete sie und legte eine Hand vor den Mund, als hätte sie gerade aufgestoßen.
     
    * II
     
    Anfang Februar fand Owens Vorverhandlung statt. Die ganze Angelegenheit war äußerst unspektakulär und erinnerte eher an ein Fakultätstreffen der Universität als an eine Verhandlung, bei der gravierende Entscheidungen getroffen werden. Niemand trug Perücken oder Roben.
      Eines bitterkalten Morgens musste er vor drei Friedensrichtern erscheinen und auf Whartons Rat vollzogen sie die Verhandlung im »neuen Stil«. Das bedeutete, dass die Anklageschrift verlesen wurde und die Verteidigung weder Einwände erhob noch Anträge stellte. Im Grunde gaben sie ihre Zustimmung zu dem Verfahren. Und genau wie Wharton es vorhergesagt hatte, stimmten die Richter darin überein, dass es sich um einen dringlichen Fall handelte und Owen einen Prozess vor dem Bezirksgericht bekam. Der Prozesstermin wurde für Ende März festgelegt. Es gab ein paar Zuschauer im Gerichtssaal und Owens Name war der Öffentlichkeit nun bekannt, allerdings wurden der Presse lediglich die Anklage und wenige Einzelheiten bekannt gegeben, nicht aber die tatsächliche Beweislage.
      Zum Glück hatte sich Owen schnell an die Monotonie des Gefängnisalltags gewöhnt: Licht an, aufstehen, Licht aus, schlafen. Nach den ersten Wochen hatte er jegliches Zeitgefühl verloren. Jeden Tag durfte er nur für eine halbe Stunde seine Zelle verlassen, um auf den trostlosen Hof zu gehen. Dort bekam er kaum jemals ein anderes Gesicht zu sehen als diejenigen seiner Wachen, und allein im Kreis herumzulaufen, war keine Freude.
      Das Essen erinnerte ihn an die Schulspeisung: trockene Pastete, graues, zähes Fleisch, klumpiger Vanillepudding. Normalerweise ließ er das meiste stehen. Trotzdem fühlte er sich ständig verstopft.
      Alle Zellen um ihn herum waren belegt. Nachts hörte er Stimmen, manchmal sogar ein Weinen, und eines Abends versuchte der Häftling in der Nachbarzelle ein Gespräch mit ihm zu beginnen und wollte wissen, warum er hier war. Doch Owen antwortete nicht. Worüber wollte der Mann reden? Wollte er Erfahrungen über Vergewaltigung und Verstümmelung austauschen?
      Vor allem hörte er die Kassetten, die Wharton ihm gebracht hatte, und las Gedichte oder Science-Fiction. Wordsworth konnte er nach dem ersten Monat schon fast auswendig.
      Aus unerfindlichen Gründen spielte die Gefängnisleitung alle paar Tage »Zellchen Wechsel dich« mit ihm. Die einzelnen Zellen unterschieden sich nur durch die Gerüche. In einer roch die Matratze sauer nach frischen Spermaspuren, in einer anderen schien das Waschbecken Dämpfe von Erbrochenem auszudünsten. Aber vielleicht bildete er sich das nur ein. Vor allem stank es nach Desinfektionsmittel und Urin. In einer Zelle bemerkte er mitten in der Nacht, dass es weder eine Toilette noch einen Eimer gab. Er rief den Wärter, der ihm sagte, er solle auf den Boden pinkeln. Er pinkelte ins Waschbecken.
      Im Laufe der Zeit machten ihn vor allem die Kleinigkeiten fertig: das Kratzen der Gefängniskleidung; die Unmöglichkeit, zu kochen oder Tee zu machen; der schlechte Kaffee; das immer gleiche Essen ... Je länger er darüber nachdachte, desto bedeutender wurden diese Nebensächlichkeiten. Es waren die wesentlichen Bestandteile seiner Freiheit, Dinge, die er normalerweise als selbstverständlich betrachtete. Jetzt, wo sie ihm fehlten, gewannen sie in seinen Gedanken eine

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