Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
zusammengepressten Lippen steif auf seinem Stuhl. Banks konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Da hatte der Neue eine erste Kostprobe von Stafford Oakes erhalten.
Oakes blätterte durch den Stapel auf seinem Tisch. »Das meiste ist brauchbar«, erklärte er. »DNA-, Haar- und Blutanalyse. Brauchbar. Ich verstehe natürlich selbst kein Wort von dem ganzen Kram, aber wenn wir den richtigen Fachmann in den Zeugenstand kriegen, können wir es sogar dem durchschnittlichen Sun-Leser verkaufen. Das ist die Hauptsache, verstehen Sie: eine einfache Sprache, ohne herablassend zu wirken.« Er legte einen dicken Stoß Papiere zur Seite und wedelte mit ein paar Aussagen. »Und das hier«, fuhr er fort, »das ist auch nicht übel. Ihr Pfarrer da, wie heißt er noch ... Daniel Charters ... hat unseren Mann ungefähr zur richtigen Zeit auf der Brücke gesehen.« Er legte einen Zeigefinger an die Nase. »Allerdings habe ich gehört, Banks, dass es moralische Bedenken gegen den Mann gibt.«
»Daniel Charters wird ein homosexueller Annäherungsversuch bei einem ehemaligen Angestellten der Kirche vorgeworfen«, sagte Banks. »Ein kroatischer Flüchtling namens Ive Jelacic, der in diesem Fall auch unter Verdacht stand, bis wir auf Pierce gestoßen sind. Aber falls es von Interesse ist - ich glaube nicht, dass Charters es getan hat.«
»Es spielt keine Rolle, was Sie glauben. Oder, Denise?«
»Nein«, sagte Denise.
»Da, meine verehrte Kollegin stimmt mir zu. Nein, Banks, das Einzige, was eine Rolle spielt, ist, was die Geschworenen glauben. Ein Pfarrer mit dem Hauch von einem Skandal an der Kutte stinkt zum Himmel.« Er schüttelte den Kopf und schnalzte abschätzig mit der Zunge. »Die Geschworenen werden sich sagen, da haben wir einen echten Heuchler, einen Mann, der die Tugenden der Keuschheit predigt, einen Mann, der zu einer Kirche gehört, die nicht einmal homosexuelle Pastoren weiht, und gerade der lässt sich sozusagen mit der Hand am Rock des Chorknaben erwischen. Verstehen Sie, was ich meine? Das ist genau das richtige Material für die Klatschpresse.«
»Da Owen Pierce offen zugibt, zu der Zeit auf der Brücke gewesen zu sein«, sagte Banks, »ist das sowieso reine Theorie.«
»Ah-ah-ah«, sagte Oakes und hob einen Finger. »Dem würde ich nicht zu viel Beachtung schenken. Die Aussage ist ungefähr genauso unnütz wie ein Geständnis. Und denken Sie daran, er hat das gesagt, bevor er mit seinem Anwalt gesprochen hat. Bis zum Prozess kann sich noch eine Menge ändern. Glauben Sie mir, wir brauchen so viel Beweise, wie wir kriegen können.«
»Charters ist nicht der Einzige, der Pierce um diese Zeit auf der Brücke gesehen hat. Deborahs Freundin Megan Preece hat ihn auch gesehen.«
Oakes schüttelte den Kopf. »Ich habe ihre Aussage gelesen. Sie ist sich nicht absolut sicher, dass er es war. Das ist auch nichts. Es gibt nichts Schlimmeres als Kinder im Zeugenstand. Ach, wir nehmen Ihren Pfarrer. Machen Sie sich darum keine Sorgen. Ich male nur den Teufel an die Wand. Ich muss alle Eventualitäten vorhersehen.« Er überflog andere Aussagen. »Der Wirt vom Nag's Head sagt aus, dass Pierce kurz vorher im Pub gewesen ist, sehe ich. Ich nehme an, er ist verlässlich?«
Banks schaute wieder Stott an. »Tja«, sagte Stott steif. »Er kam mir ein bisschen langsam vor, aber da an dem Abend nicht viel los war und Pierce anscheinend sein einziger Gast gewesen ist, können wir uns auf ihn verlassen, nehme ich an.«
»Schön. Und was war noch mal dieser andere Laden ... Ach ja, das Peking Moon. Ein chinesisches Restaurant.« Er rümpfte die Nase. »Ein Chinese, nehme ich an?«
»Geboren und aufgewachsen in Whitechapel«, sagte Stott.
»Also ein Chinese mit Cockneyakzent?«
»Genau.«
Oakes schüttelte den Kopf. »Geschworene mögen Chinesen nicht. Sie trauen ihnen nicht über den Weg. Die haben immer noch dieses alte Schlitzaugenbild im Kopf: undurchschaubar, gelbe Gefahr und so weiter. Ich persönlich verstehe es nicht, aber man kriegt diese rassistische Einstellung anscheinend nicht so schnell aus den Köpfen der Leute, wie man möchte, und per Gesetz kann man sie auch nicht verbieten. Na ja, wir machen das Beste draus. Ist er ein helles Köpfchen?«
»Er kann sich gut ausdrücken«, sagte Stott.
»Schön, das hilft. Außer er ist natürlich zu clever. Die Geschworenen mögen keine Leute, die ihnen zu clever kommen. Besonders wenn es Ausländer sind.
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