Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
Sicherheitsfirma annehmen? Oder sollte er einfach weitermachen und auf eigene Faust den Jason-Fox-Fall aufklären, um Jimmy Riddle in die Tasche zu stecken, so, wie es Sherlock Holmes mit Inspector Lestrade getan hatte? Alan Banks, Privatermittler. Das klang nicht übel.
Er schenkte sich eine Tasse schwarzen Kaffee ein und ließ sich wieder aufs Sofa fallen. Als er das Bild des dunstigen Sonnenuntergangs in Hawes über dem Kamin betrachtete, fiel ihm aus irgendeinem Grund ein, dass Sandra ihm am Donnerstag gesagt hatte, es hätte jemand anderen geben können, es gäbe aber niemanden. Er entsann sich auch des verträumten Blickes in ihren Augen, als sie das gesagt hatte.
Und das machte ihn wütend. Er stellte sich Sandra mit einem strammen, Bart tragenden jungen Künstler vor, die beiden stehen im Hochmoor im Wind wie Cathy und Heathcliff, schauen sich verliebt in die Augen und üben sich in Beherrschung. »Nein, mein Liebling, wir dürfen nicht. Es steht zu viel auf dem Spiel. Denke an die Kinder.« Große Leidenschaft trifft auf Familienwerte und moralische Verantwortung. Eine Szene aus einer billigen Romanze. Trotzdem ballten sich Banks Fäuste bei der Vorstellung. Hätte geben können. Und wenn man genau darüber nachdachte, hatte er nur ihr Wort, dass sie ihn nicht verlassen hatte, um mit einem anderen wegzulaufen, einem, mit dem sie sich wohl erst nach »angemessenem Abstand« in der Öffentlichkeit sehen lassen würde.
Na gut, das Spiel konnte er auch spielen. Banks hatte in der Vergangenheit auch seine Möglichkeiten zur Untreue gehabt, aber er hatte sie nicht genutzt. Er hatte sie auch nicht romantisch verklärt. Er musste besonders an Jenny Füller denken. Es hatte eine Zeit gegeben, vor ein paar Jahren, als zwischen den beiden etwas hätte entstehen können. Ob es jetzt zu spät war? Wahrscheinlich. In letzter Zeit verbrachte Jenny die meiste Zeit mit Unterrichten in Amerika, zudem hatte sie drüben einen festen Freund. Dann gab es Pamela Jeffreys, diejenige, die Riddle für seine Geliebte hielt. Auch mit Pamela hatte Banks nicht geschlafen, aber der Gedanke daran war reizvoll.
So eine große Auswahl. So viele Möglichkeiten. Und weshalb fühlte er sich dann so verdammt elend und leer? Weil er, wie er schlussfolgerte, keine dieser Möglichkeiten wollte. Im Grunde wollte er nur, dass er seinen Job wiederbekam, dass Sandra zurückkehrte und dass sein Kater vorüberging. Wenn er vielleicht einen Countrysong rückwärts spielen würde ...? So wie er Country hasste, konnte er nicht einmal das tun. Doch während er versuchte, sich über seine Situation klar zu werden, merkte er, dass er sich jetzt, so deprimiert er auch war, ruhiger fühlte als gestern, als er eingeklemmt im Flugzeug saß und über seine Rückkehr nach Hause nachgrübelte. Dass er Jimmy Riddle geschlagen hatte, hatte vermutlich auch etwas damit zu tun.
Nach der ersten Tasse Kaffee spürte er, dass er hungrig war. Seit dem Imbiss im Flugzeug hatte er nichts mehr gegessen und das war mittlerweile eine Ewigkeit her. Als er die Reste im Kühlschrank in Augenschein nahm, fielen ihm drei durchwachsene Speckstreifen und zwei Eier in die Hände, die erst eine Woche über das Verkaufsdatum waren. Das musste genügen. Die einzige übrig gebliebene Scheibe Brot war schon etwas trocken, aber noch nicht grün geworden und würde schön im Speckfett braten. Cholesterin pur. Na und?
Während er sein Frühstück briet, erinnerte sich Banks an Tracys Nachricht. Er musste sie heute zurückrufen und beruhigen. Sollte er ihr auch erzählen, dass er seinen Job verloren hatte? Lieber noch nicht, entschied er. Es war schon schlimm genug, dass seine Tochter, kaum dass sie das Elternhaus verlassen hatte, zu einem Kind einer zerbrochenen Ehe wurde; da wollte er ihr lieber die Neuigkeit ersparen, dass sie zudem das Kind eines in Ungnade gefallenen Polizeibeamten war. Dafür würde später noch genug Zeit sein. Er musste auch Brian in Portsmouth anrufen und seine Eltern. Alle würden bestürzt sein.
Plötzlich schien er einen Tag vor sich zu haben, der voller Aufgaben steckte. Keine davon war angenehm. Der einzige Lichtblick war, dass er sich eine Weile keine Geldsorgen machen musste; trotz Suspendierung wurde weiterhin das Gehalt gezahlt. Und vor dem Disziplinarverfahren konnte Jimmy Riddle nichts dagegen unternehmen.
Er fluchte, weil ein Ei in zwei Teile zerbrach, als er es auf den Teller hob, und das Eigelb über die Küchenplatte
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