Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
müsste er ihnen gar nichts erzählen.
Er schenkte sich noch etwas Kaffee ein und legte die Beatles-CD auf, die er gestern in Leeds gekauft hatte. ,Es war die zweite der drei Anthologien, und er hatte sie kaufen wollen, seitdem sie herausgekommen war. Er wählte gleich die zweite Disc, auf der Outtakes von »Strawberry Fields Forever« waren, seinem Lieblingssong. Beim Mitsingen räumte er ein bisschen auf, begann sich jedoch bald unruhig und gefangen zu fühlen. Irgendwie war es ein merkwürdiges Gefühl, während des Tages zu Hause zu sein und zu beobachten, wie die Nachbarn vom Einkaufen kamen und der arbeitslose Bankangestellte gegenüber zum zweiten Mal in der Woche seinen Wagen wusch.
Es war an der Zeit, aktiv zu werden. Er nahm das Telefon, wählte die Nummer des Reviers und bat, mit Detective Constable Susan Gays Apparat verbunden zu werden.
Sie nahm mit dem zweiten Klingeln ab.
»Susan?«, sagte Banks. »Ich bin's.«
»Sir? Sind Sie ... Ist alles in Ordnung?«
Er war sicher, dass sie es so meinte, doch ihre Stimme klang verschlossen und kühl. »Mir geht's gut. Ist Jim da?«
»Nein, er ist unterwegs in der Eastside-Siedlung. Schon wieder ein Einbruch.«
»Und der Super?«
»In Bramshill.«
»Sehr gut. Entschuldigen Sie, so habe ich es nicht gemeint. Hören Sie, ich weiß, ich dürfte Sie nicht darum bitten, aber meinen Sie, Sie könnten mir einen Gefallen tun?«
»Sir?«
»Ich muss noch mal einen Blick auf die Unterlagen über den Jason-Fox-Fall werfen. Auf alle - von den Tatortfotos bis zu Mark Woods Aussagen. Können Sie mir helfen?«
»Darf ich fragen, warum Sie immer noch daran interessiert sind, Sir?«
»Weil ich nicht zufrieden bin. Würden Sie mir helfen?«
Es entstand eine lange Pause. »Warum kommen Sie nicht ins Revier?«, meinte Susan dann.
»Ist das eine gute Idee?«
»Im Moment ist es ziemlich ruhig hier. Der Super wird für ein paar Wochen weg sein.«
»Na ja, wenn Sie sicher sind. Ich will Ihnen keine Probleme machen.«
Banks hörte so etwas wie ein raues Husten oder Bellen am anderen Ende. »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Ja, schon gut. Nur ein Frosch im Hals. Es ist in Ordnung, Sir. Wirklich.«
»Sind Sie sicher? Wenn Jimmy Riddle auftaucht ...«
»Wenn Jimmy Riddle auftaucht, bin ich geliefert. Ich weiß. Aber es ist viel zu viel Zeug zum Kopieren. Und das würde erst recht verdächtig aussehen, besonders weil man hier in letzter Zeit für jeden Penny Rechenschaft ablegen muss, den man ausgibt. Ich nehme das Risiko auf mich, wenn Sie wollen, Sir.«
»Danke.«
»Aber ich wüsste trotzdem gerne, warum Sie nicht zufrieden sind.«
»Ich sage es Ihnen, wenn ich mehr weiß. Im Moment ist es vor allem nur ein Gefühl. Und dann gibt es da ein paar Dinge, die ich in Amsterdam über Mark Wood erfahren habe.«
»Dann kommen Sie doch einfach so schnell Sie können ins Revier. Ich warte.« Und dann legte sie eilig auf.
Banks nahm seine Jacke und verließ das Haus. Es war wieder ein sonniger Tag mit wenigen hoch liegenden Wolken und einer leichten Frische in der Luft. Das Laub hatte sich seit letzter Woche etwas mehr verfärbt, manche Blätter begannen schon zu fallen.
Da er Bewegung brauchte, entschloss er sich, zu Fuß zu gehen. Er stöpselte seine Kopfhörer ein und schaltete den Walkman an: Billie Holiday sang »Strange Fruit«.
Er ging die Market Street entlang, vorbei am Kreisel, dem Zebrastreifen, der Autowerkstatt, der Schule und dem Einkaufszentrum mit dem Safeway-Supermarkt und der Ansammlung kleinerer Geschäfte und Banken. Auf der Market Street herrschte heute reger Verkehr, der beißende Gestank der Benzin- und Dieselabgase vermischte sich mit der trockenen, staubigen Luft.
Er blieb gegenüber dem Jubilee stehen, dessen weitläufige Fassade aus Natursteinen und roten Ziegeln sich um die Kreuzung der Market Street und der Sebastopol Terrace bog. Dort hatte Jason Fox seinen letzten Abend auf Erden verbracht, bevor er in den für Rassisten reservierten Teil der Hölle geschickt worden war. Warum um alles in der Welt spielte es eigentlich eine Rolle, wer ihn umgebracht hatte und warum es geschehen war, fragte sich Banks im Weitergehen. Reichte es nicht, dass er tot war? War es nur Banks' verdammte, unersättliche Neugier, die diese Fragen so wichtig machte? Oder gab es irgendeinen absoluten Standard der Gerechtigkeit und der Wahrheit, dem er sich
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