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Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer

Titel: Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Glas Bier zum Mittagessen, zwei Glas mit Annie im Dog and Gun, und jetzt einen Fingerbreit Laphroaig kurz vor Mitternacht. Nicht schlecht. Und er hatte nur sieben Zigaretten geraucht, darauf war er besonders stolz.
      Er nahm das Glas mit nach draußen auf die Mauer und setzte sich. Mit den Beinen baumelte er über den ausgetrockneten Wasserfällen. Es war eine laue Nacht, nur eine sanfte Brise ließ die Blätter rauschen und kühlte den Schweiß auf seiner Stirn ein wenig. Ein kleines Tier raschelte durch das Unterholz, wahrscheinlich ein Eichhörnchen oder Kaninchen. Banks starrte auf den dunklen Wald, und die Worte von Robert Frost kamen ihm in den Sinn, die er vor kurzem in der Anthologie gelesen hatte: »Und fahr noch weit, bevor ich ruh«. Es war die Wiederholung dieser Zeile, die sie so einprägsam machte, dachte er, die so ein Kribbeln im Rücken verursachte. Er gab nicht vor, das Gedicht verstanden zu haben - jedenfalls hätte er nicht vor der Klasse stehen und erklären können, wovon es handelte -, aber es sagte ihm etwas.
      Er dachte daran zurück, was er Annie über die Sorge um andere erzählt hatte und dass er ihr nicht hatte sagen können, dass es teilweise an Jem lag. Banks hatte Jems Leiche auf dem staubigen nackten Fußboden seines möblierten Zimmers gefunden, die Nadel noch im Arm, der an einigen Stellen komisch verfärbt war, weil ihn die Mäuse angeknabbert hatten.
      Er hatte sich übergeben, so wie auch damals, als Phil Simpkins in einer spiralförmigen Bewegung langsam und unvermeidlich auf die Eisenspitzen des Zauns gesegelt war. Aber Phils Tod war den Menschen nahe gegangen; in der Schule hielten sie sogar eine Schweigeminute ab und bekamen einen Vormittag für die Beerdigung frei. Doch um Jem hatte sich niemand geschert, so wie sich auch niemand um Glorias Verschwinden gekümmert zu haben schien.
      Im Laufe der Jahre war Banks wie alle Kriminalbeamten, die eine stattliche Anzahl von Morden untersuchen, immun gegen den Anblick von Leichen geworden. Er legte sich eine Schutzhülle zu; er konnte am Tatort Witze reißen, während die Eingeweide eines Menschen auf seine Schuhe quollen oder die Hirnmasse unter seinen Sohlen klebte. Wie hart sein Panzer auch war, Banks hatte doch immer wenigstens etwas gefühlt. Unabhängig davon, wie weit unten das Opfer auf der sozialen Leiter auch gestanden haben mochte. Er fühlte immer eine Verbindung zu dem, was einmal ein lebender Mensch gewesen war.
      Nach Jems Tod hatte sich Banks verpflichtet gefühlt, mehr über ihn herauszufinden: wer er war, woher er kam, warum sich keiner um ihn zu kümmern schien. Ihm wurde klar, wie wenig er wusste, obwohl Jem sein erster und bester Freund in einer neuen, überwältigenden Stadt gewesen war. Er war so arglos, dass er nicht einmal auf den Gedanken gekommen war, Jem könne heroinabhängig sein. Sie hatten gelegentlich zusammen Hasch und Gras geraucht, aber das war auch alles gewesen.
      Die Vorstellung der Polizei war nicht sonderlich eindrucksvoll gewesen, kaum ein Grund für Banks, sich bei ihr zu bewerben. Banks wurde verhört, und er beschrieb einen Mann, den er am vergangenen Abend beim Betreten von Jems Wohnung gesehen hatte, aber es schien niemand weiter zu interessieren. Einer der Beamten, Constable Carter, machte auf besorgten Vater, erinnerte sich Banks, heuchelte Trauer über Jems Tod, belehrte Banks über die Drogen-Subkultur, während der andere, Sergeant Fallon, mit seinem pockennarbigen Gesicht und dem zynischen Lächeln auf den dünnen, grausamen Lippen auf der Suche nach Drogen Banks' Schubladen und Schränke durchwühlte.
      Später bekam Banks heraus, dass in der gleichen Woche drei Junkies in Notting Hill gestorben waren, weil eine Lieferung ungewöhnlich reinen Heroins nicht entsprechend verschnitten worden war. Es wurde niemand festgenommen.
      Enttäuscht sowohl vom Studium als auch von der Nabelschau der Sechziger, ging Banks gegen Jems Rat zur Polizei, um das System von innen zu verändern, und als er merkte, dass das nicht funktionierte, gab er sich mit den Adrenalinschüben der Ermittlungsarbeit zufrieden, dem Jagen, dem Aufdecken, seiner seltsamen Beziehung zum Mordopfer, das nicht mehr für sich selbst eintreten konnte. Und diese Beziehung war bei Gloria Shackletons gebrochenen, schmutzigen Knochen genauso gültig wie bei einer frischen Leiche, deren Wangen noch gerötet waren.
      Als er schließlich des Erinnerns müde war, drückte Banks seine Zigarette aus,

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