Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
hatten. Einigen passte ihre Ankunft überhaupt nicht - besonders Betty Goodall - weil sie der Meinung waren, unsere Moral litte darunter, aber die meisten akzeptierten die Amerikaner schnell als Teil der Dorfgemeinschaft. Ich half sogar dem Freiwilligen Frauendienst, für sie in Harkside einen Willkommenstreff zu organisieren. Bisher waren Amerikaner in meiner begrenzten Erfahrung immer freundlich und höflich gewesen, obwohl ich sagen muss, dass ich mich nicht damit anfreunden konnte, wie sie mich immer »Ma'am« nannten. Da fühlte ich mich so alt.
Auf jeden Fall waren sie in ihrer Art viel lockerer und selbstbewusster als unsere Jungs und ihre Uniformen waren hübscher. Sie trugen sogar Schuhe und nicht diese riesigen Knobelbecher, die unser Verteidigungsministerium meinte, an die armen Soldaten verteilen zu müssen. Sicherlich war unsere Meinung von Amerikanern immer noch größtenteils geprägt durch den Glanz von Hollywood-Filmen, Zeitschriften und Popsongs. Für manche waren sie entweder Cowboys oder Gangster; für andere waren die Männer gut aussehende Helden und die Frauen hübsche, ziemlich vulgäre Gangsterbräute.
Als wir an jenem Abend durch den Wald tapsten, hatten wir keine Vorstellung davon, was uns erwartete. Tagelang hatten wir uns verrückt gemacht, was wir anziehen sollten, und wir hatten uns besondere Mühe mit unserem Aussehen gegeben - selbst ich, die sich im Allgemeinen nicht viel um solche Oberflächlichkeiten kümmerte. Unter dem Mantel, den wir trugen, um uns vor der Kälte zu schützen, hatten wir unsere besten Kleider an. Gloria sah natürlich wieder hervorragend aus in ihrem schwarzen Samtkleid mit V-Ausschnitt, Puffärmeln und breiten Schulterpolstern. Links am Ausschnitt hatte sie eine rote Filzrose befestigt. In dem Zweckkleid, das ich in London gekauft hatte, war ich ein wenig praktischer gekleidet.
Ein großes Problem bestand darin, dass uns allen die Seidenstrümpfe ausgegangen waren. Wir hatten entweder nicht genug Marken, um uns neue zu kaufen, oder fanden in den Geschäften keine. Als Gloria nach Ladenschluss bei mir vorbeikam, sagte sie mir als Erstes, ich solle mich auf einen Stuhl stellen.
»Warum?«, fragte ich.
»Mach schon. Siehst du gleich.«
Ich hätte mich weigern können, aber ich war neugierig, also stieg ich hinauf. Als Nächstes merkte ich, dass Gloria meinen Rock hob und etwas Kaltes, Öliges auf meinen Beinen verteilte.
Ich wand mich. Als das, was sie auf meine Beine geschmiert hatte, endlich getrocknet war, musste ich mich wieder auf den Stuhl stellen. Mit einer Art Bleistift malte sie sorgfältig eine Naht auf die Rückseite meiner Beine. Es kitzelte, und sie musste mir wieder befehlen, stillzuhalten.
»Da.« Sie biss sich auf die Lippe und trat einen Schritt zurück, um ihr Kunstwerk zu bewundern. Ich kam mir vollkommen dumm vor, als ich dort auf dem Stuhl stand und den Rock hob. »Das müsste reichen«, sagte sie schließlich. »Jetzt ich.«
Als ich es bei ihr machte und die Grundierung auf die blasse, weiche Haut auftrug, begann sie zu lachen. »Ein herrlicher Kram ist das«, sagte sie. »Vorletzten Sommer war ich mit meiner Weisheit am Ende, bevor Matthew ... hm, also, ich war so verzweifelt, dass ich eine Mischung aus Soßenpulver und Wasser ausprobierte.«
»Und wie ging das?«
»Die verdammten Fliegen! Die haben mich von hier bis nach Harkside verfolgt, und selbst im Ballsaal summten die Scheißdinger um meine Beine. Ich kam mir vor wie ein Stück Fleisch in der Auslage des Metzgers.« Sie hielt inne.
»Ach, Gwen, weißt du noch, wie das aussah? Die ganzen herrlichen Fleischstücke im Schaufenster vom Metzger?«
»Hör auf«, sagte ich. »Davon bekommen wir nur schlechte Laune.«
Wir trafen uns an der Feenbrücke. Cynthia Garmen war aufgemacht wie Dorothy Lamour. Sie trug ihr schwarzes Haar in einem Pagenschnitt und hatte sehr viel Schminke aufgelegt, sogar Wimperntusche, was wirklich seltsam aussah, weil Frauen ihre Augen damals nicht besonders stark schminkten. Die Wimperntusche war von schlechter Qualität. Als ihr später am Abend vom Tanzen warm wurde, begann die Farbe zu zerlaufen, und Cynthia sah aus, als hätte sie geweint. Sie sagte, sie hätte sie auf dem Schwarzmarkt in Leeds gekauft, deshalb könne sie sie nicht zurückbringen und sich beschweren.
Alice hatte ihre Marlene-Dietrich-Periode: Die ausgezupften Augenbrauen waren mit einem hohen Bogen nachgezogen, das
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