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Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer

Titel: Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Marlene Dietrich bestimmt nie geglotzt hatte.
      »Zuerst müssen Sie mir eine Frage beantworten«, sagte ich, bevor ich ihm folgte, nur um ihm zu zeigen, dass ich ziemlich viel Schneid haben konnte, wenn ich wollte, obwohl ich in Wirklichkeit eine Heidenangst vor all diesen schneidigen, gut aussehenden jungen Männern um mich herum hatte.
      Bernard kratzte sich am Kopf. »Und das wäre, Ma'am?«
      »Was ist ein >A< Train?«
      »Hä?«
      »Das Lied, das gespielt wurde, als wir kamen. >Take the ,A' Train<. Was ist das, ein >A< Train? Das möchte ich gerne mal wissen. Ist das vielleicht was Besseres als ein >B< Train?«
      Er grinste. »Ähm, nein, Ma'am. Das ist doch nur eine U-Bahn-Linie.«
      »U-Bahn? Meinen sie die Untergrundbahn?«
      »Ja, Ma'am. In New York City. Die Linie >A< ist die schnellste Verbindung nach Harlem.«
      »Ach«, sagte ich, als es mir endlich dämmerte. »Nein, so was! Also gut, tanzen wir?«
      Nach »Kalamazoo«, »Stardust« und »April in Paris« trafen wir uns an der Theke wieder, und der große Flieger, der uns die Mäntel abgenommen hatte, gab uns allen einen Bourbon aus, den wir mit an den Tisch nahmen. Er hieß Billy Joe Farrell. Er stammte aus Tennessee und arbeitete beim Bodenpersonal. Er stellte uns seinen Freund vor, Edgar Konig, der von allen PX genannt wurde, weil er den Post Exchange verwaltete, den Verkaufsladen mit Versorgungsgütern, der auf amerikanischen Stützpunkten die Abkürzung PX trug.
      PX war ein schlaksiger junger Mann aus Iowa mit einem Kindergesicht und kurz geschorenem hellem Haar. Er war groß, hatte hohe Wangenknochen, Schmolllippen und unglaublich lange Augenwimpern über kornblumenblauen Pupillen. Und er war sehr schüchtern, zu schüchtern, um mit einer von uns zu tanzen. Nie sah er einem richtig ins Gesicht. Er war die Sorte von Mensch, die immer mit dabei ist, ohne jemals wirklich wahrgenommen zu werden. Und ich glaube, er war nur deshalb so großzügig gegenüber uns allen, damit er bemerkt wurde.
      Wenn ich heute, über fünfundzwanzig Jahre später, an jenen Abend zurückdenke, und mir dabei vergegenwärtige, was alles seitdem geschehen ist, so habe ich den Eindruck, als sei er in einem Strudel aus Tanzen, Reden und Trinken vergangen und vorüber gewesen, noch ehe er so recht begonnen hatte. Ich erinnere mich noch immer an die seltsamen Akzente, die ungewohnten Ortsnamen und Ausdrücke, die uns zu Ohren kamen, an die jungen Gesichter, den überraschend weichen Stoff der Uniform unter meinen Fingern, an den beißenden und doch süßlichen Geschmack von Bourbon, an die Küsse, die geflüsterten Verabredungen zum nächsten Treffen.
      Als wir vier beschwipst durch den Wald zurückgingen, untergehakt bei unseren Verehrern, ahnten wir noch nicht, wie flüssig uns Worte wie »lousy«, »bum« und »creep« bald im Alltag über die Lippen kommen würden, von Kaugummi kauen und Luckies rauchen gar nicht zu reden. Wandernd sangen wir »Shenandoah« und kamen nach dem Gute-Nacht-Kuss überein, uns eine Woche später in Harkside wiederzusehen.
     
    ***
     
    Es war das erste Mal seit Monaten, dass Banks wieder zum Mittagessen im Queen's Arms war. Er hatte versucht, übermäßiges Trinken tagsüber zu unterbinden, teilweise weil er dann oft kein Ende fand, und teilweise, weil es ihn zu sehr an sein früheres Leben erinnerte.
      Es lag nicht daran, dass er früher regelmäßig mit Sandra dort gewesen war - obwohl sie dort sicherlich oft auf ein Glas eingekehrt waren, wenn sie sich zusammen in der Stadt einen Film oder ein Theaterstück angesehen hatten —, sondern eher daran, dass das Queen's Arms ihn an eine Zeit erinnerte, als sein Leben und seine Arbeit noch im Einklang " miteinander standen - die Tage vor Jimmy Riddle, als er mit Gristhorpe, Hatchley, Phil Richmond und Susan Gay bei einem Steak-and-Kidney-Pie und einem Glas Theakston's Bitter lange Brainstorming-Sitzungen abhielt, als Sandra noch glücklich gewesen war mit ihrer Ehe und der Arbeit in der Galerie.
      Hatte er wenigstens gedacht.
      Wie so vieles, das er gedacht hatte, war auch das eine Illusion gewesen, hatte nur Gültigkeit besessen, weil er naiv genug gewesen war, daran zu glauben. In Wirklichkeit war das Glück so vergänglich und flüchtig wie eine optische Täuschung; es hing vollkommen vom eigenen Standpunkt ab. Am Kalender gemessen, war diese Zeit noch gar nicht so lange her, doch in seiner Erinnerung erschien sie ihm manchmal, als hätte sie

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