Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
studieren. Er fliege gerne, sagte er, aber das sei für ihn keine berufliche Perspektive.
Je länger wir uns unterhielten, desto mehr Gemeinsamkeiten fanden wir heraus - Jane Austen und Thomas Hardy beispielsweise, dann die Lyrik von T. S. Eliot. Und Robert Frost und Edward Thomas. Viele unserer jüngeren Dichter kannte er nicht, daher bot ich ihm an, ihm einige Ausgaben von Penguin New Writing mit Gedichten von MacNeice, Auden und Day Lewis auszuleihen, und er erwiderte, er würde mir die Anthologie American Harvest von Tate und Bishop borgen, wenn ich sie pfleglich behandelte. Ich antwortete, dass ich einem Buch genauso wenig zuleide tun würde wie einem menschlichen Lebewesen, da musste er zum ersten Mal lächeln.
»Bist du verheiratet?«, hörte ich Brad Gloria fragen. »Ich meine, ich wollte nicht ... verstehst du ...«
»Schon in Ordnung. Ich war verheiratet. Aber mein Mann ist tot. In Burma gefallen. Wenigstens hoffe ich das bei Gott.«
Ich unterbrach unser Gespräch. Es stimmte, wir hatten an Matthews Tod glauben wollen, aber es bestand noch immer eine schwache Hoffnung, wenigstens bei mir, deshalb hielt ich ihre Antwort für eine sehr gemeine Bemerkung. Ich sagte es ihr.
Mit blitzenden Augen antwortete sie: »Also, du, Gwen, solltest besser als alle anderen wissen, dass ich Recht habe. Du liest doch die ganzen Zeitungen und hörst dir immer die Nachrichten an, oder nicht?«
»Doch.«
»Entschuldigung, das tut mir wirklich Leid«, mischte sich Brad ein, aber Gloria ignorierte ihn und starrte mich an. »Also musst du auch wissen, was man über die Japaner sagt, wie sie ihre Kriegsgefangenen behandeln«, fuhr sie fort.
Ich musste zugeben, dass ich ein oder zwei ziemlich grausame Geschichten darüber gelesen hatte, dass die Japaner ihre Gefangenen angeblich schlugen und verhungern ließen, und glaubte man dem Außenminister Anthony Eden, dann waren die bevorzugten Beschäftigungen in Kriegsgefangenenlagern Folter und Enthauptung. Die Daily Mail schimpfte die Japaner »Affenmenschen«, behauptete, sie seien »Untermenschen« und sollten geächtet werden, nachdem man sie in ihr wüstes Land zurückgedrängt hatte. Ich wusste nicht, was ich glauben sollte. Wenn diese Geschichten stimmten, dann musste ich Gloria wohl Recht geben und inständig hoffen, dass Matthew tot war.
»Ich habe Freunde, die im Pazifik stationiert sind«, sagte Charlie. »Hab gehört, dass es da draußen ziemlich hart sein soll. Viele von diesen Geschichten stimmen.«
»Na ja, er ist sowieso tot«, sagte Gloria. »Deshalb kann ihm jetzt nichts mehr wehtun. Ach, das verdirbt uns die ganze Laune. Wollen wir nicht noch eine Runde trinken?«
Brad und Charlie fuhren uns im Jeep nach Hause. Charlie schien peinlich berührt zu sein, als Brad und Gloria bei der Feenbrücke begannen, sich leidenschaftlich zu küssen, doch brachte er den Mut auf, den Arm um mich zu legen. Wir gaben uns pflichtschuldig einen Abschiedskuss und verabredeten uns, um die Bücher zu tauschen. Brad sagte zu Charlie, er solle schon vorfahren, er käme später zu Fuß zum Stützpunkt zurück, dann folgte er Gloria ins Bridge Cottage.
***
Das indische Restaurant, das Ken Blackstone ausgesucht hatte, war ein winziger Laden auf der Burley Road mit roten Tischdecken und einem Perlenvorhang vor der Küche. Jedesmal wenn der Kellner hindurchging, klirrten die Perlen. Sitarmusik leierte aus den Lautsprechern unter der Decke und die Luft war erfüllt von Kumin- und Korianderduft.
»Hast du in den Berichten gefunden, was du gesucht hast?«, fragte Blackstone bei Poppadums, Samosas und Pakoras.
»Ich habe nichts Bestimmtes gesucht«, sagte Banks. »Elsie Patterson war sich nicht sicher, ob sie Gwen Shackleton mit den Einkäufen zurück ins Haus gehen sah, bevor oder nachdem sie den Schuss hörte. Sie dachte sogar, der Schuss könne ein fehlgezündetes Auto gewesen sein. Und sie war die einzige Zeugin. Sonst hat keiner an dem Tag Gwen oder Matthew gesehen. Die anderen Nachbarn waren arbeiten, die Kinder in der Schule.«
»Was sagte Gwen Shackleton bei der Vernehmung?«
Banks schluckte einen Mund voll Samosas herunter. Bis jetzt war das Essen hervorragend, ganz wie Ken versprochen hatte. Es war weder zu fettig noch zu scharf, wie es in vielen indischen Restaurants in der fälschlichen Annahme, Chilischoten und Cayennepfeffer seien einfallsreiche Gewürze, zubereitet wurde. Banks überlegte, sich vielleicht
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