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Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer

Titel: Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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sie etwas übersehen hatte. Dennoch, wie sollte etwas dort Vergrabenes jemanden belasten, der noch lebte? Soviel Annie am vergangenen Abend von der Person gesehen hatte, war der Betreffende nicht alt genug, um Gloria Shackleton vor über fünfzig Jahren ermordet zu haben. Menschen von siebzig, achtzig Jahren bewegen sich in der Regel nicht so schnell.
      Es blieb also ein Geheimnis. Sie wollte mit Banks darüber sprechen, aber der war ja auf der Rolle gewesen und hatte sich wie ein dummer Junge mit seinen Kumpels volllaufen lassen und Geschichten über ihre Begierde und seine Fähigkeiten zur Befriedigung derselben verbreitet. Sie wünschte ihm den schlimmsten Kater seines Lebens an den Hals.
     
    Debussys Kammermusik für Harfe und Blasinstrumente brachte Banks über langsame Nebenstraßen sicher nach Gratly zurück. Er erwägte kurz, einen Zwischenstopp in Harksidp einzulegen, um zu sehen, wie Annie vorankam, entschied sich dann aber dagegen. Er wollte nicht, dass sie ihn sah, solange er sich nicht wenigstens umgezogen hatte. Seine Kleidung stank nach Rauch und abgestandenem Bier.
      Sein Kopf tat weh, obwohl er am Morgen bei Ken eine Paracetamol geschluckt hatte. Außerdem hatte er einen Geschmack im Mund wie Vogeldreck. Als er sich nach dem Aufwachen in Kens Wohnzimmer umgesehen hatte, hatte er beim Anblick der Relikte eines wilden, ausgelassenen Abends aufgestöhnt: eine leere Flasche Glenmorangie auf dem Couchtisch, daneben eine leere Flasche Rotwein und ein überquellender Aschenbecher. Er glaubte, die Whiskyflasche sei nicht ganz voll gewesen, als sie sie sich vornahmen, aber selbst ein Fünfzehnjähriger wäre klüger gewesen, als Bier, Wein und Whisky durcheinander zu trinken.
      Dennoch, soweit er sich erinnern konnte, hatte ihm das Reden Spaß gemacht, wenn sie von Frauen, Ehe, Scheidung, Sex und Einsamkeit gesprochen hatten. Und die Musik war herrlich. Ken war ein großer Anhänger weiblicher Jazzmusiker - dazu noch ein Vinyl-Freak -, das bezeugten die überall auf dem Boden verteilten Plattenhüllen: Ella Fitzgerald, June Christy, Dinah Washington, Helen Forrest, Anita O'Day, Keely Smith, Peggy Lee.
      Das Letzte, woran sich Banks erinnern konnte, war die späte Billie Holiday mit »Ill Wind«, deren rauchige, honigsüße Stimme sich wunderschön mit Ben Websters Tenorsaxophon vereinte. Dann kam das Vergessen.
      Er stöhnte und rieb sich über das stoppelige Gesicht. All die Standardsätze für den Morgen nach einer durchzechten Nacht gingen ihm durch den Kopf: Du wirst zu alt für so was; Werd mal langsam erwachsen; und natürlich: Nie mehr im Leben rühre ich einen einzigen Tropfen Alkohol an. Es war die vertraute Litanei der Schuld und des Selbstekels. Die vergangene Nacht würde eine Ausnahme bleiben müssen, eine kleine Verirrung, ein notwendiger Freundschaftsdienst.
      Als Banks seine Taschen leerte, bevor er die Jeans in den Wäschekorb warf und dabei registrierte, wie voll er schon wieder war, fand er einen kleinen Zettel. Darauf stand der Name »Maria«, gefolgt von einer Telefonnummer in Leeds.
      Er zermarterte sich den Kopf, aber ihm wollte nicht mehr einfallen, welches der beiden Mädchen, mit denen sie im Adelphi geredet hatten, Maria war. Die zierliche Blonde oder die schlanke Rothaarige mit den Sommersprossen und der Lücke zwischen den Vorderzähnen? Er meinte, die Blondine habe sich eher für Ken interessiert, schwach erinnerte er sich, dass sie über die Präraffaeliten gesprochen hatten. Wenn Maria die mit den roten Haaren war - sie sah schon ein bisschen präraffaelitisch aus. Möglicherweise waren sie so auf das Thema gekommen. Keine Chance. Es fiel ihm nicht mehr ein. So schlimm war es gewesen. Er zerknüllte den Zettel, zielte auf den Papierkorb, doch dann überlegte er es sich anders, glättete ihn wieder und legte ihn in die oberste Schublade seines Nachtschränkchens. Man konnte nie wissen.
      Nachdem er sich rasiert, geduscht und umgezogen hatte, fuhr Banks nach Eastvale, wo er um kurz nach zehn in seinem Büro eintraf. Er hatte kaum Zeit, seinen Computer hochzufahren, da ging die Tür auf und herein trat Chief Constable Jeremiah »Jimmy« Riddle persönlich, offenbar auf einem seiner seltenen Ausflüge nach Eastvale. Banks fluchte leise vor sich hin. Das hatte ihm gerade noch gefehlt in seinem angeschlagenen Zustand.
      Banks sah auf. »Sir?«
      »Banks, Sie sehen ja grässlich aus«, sagte Riddle. »Was haben Sie gemacht, Mann? Sich um den Verstand

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