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Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer

Titel: Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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dachten wir damals - erschossen, ausgehungert, geschlagen oder zum Gegenstand medizinischer Experimente gemacht worden waren.
      Bei unseren persönlichen Schicksalen wie Charlies Tod und Matthews ruinierter Gesundheit war es uns unmöglich, das alles zu verarbeiten. Ich glaube, wir versuchten es nicht einmal. Fünf Jahre Angst und Elend hatten wir durchlitten, und wir wollten verdammt sein, wenn wir um die riesige Abschlussparty betrogen werden sollten.
     
    ***
     
    Banks betrat den höhlenartigen viktorianischen Pub mit seinem geschwärzten oder geätzten Glas, dem Messing und den Spiegeln. Irgendwie hatte er, anders als der große Rest des Londoner Ostens, die Luftangriffe überlebt. Zigarettenqualm hatte die hohe Decke und die Wände im Laufe von Jahrzehnten braun verfärbt.
      Der Pub lag nicht weit entfernt von Mile End, wo Gloria Shackleton geboren worden war. Vielleicht war sie sogar einmal hier gewesen, stellte sich Banks vor, bezweifelte es dann aber. Normalerweise entfernten sich die Menschen nicht weit von ihrer Wohnung; außer bei Notfällen oder besonderen Gelegenheiten bewegten sie sich kaum mehr als ein oder zwei Straßen von ihrem Heim fort.
      Er war mit Annie in Dulwich gewesen, um Francis Henderson zu sprechen, doch war er nicht zu Hause gewesen. Eine Nachbarin erzählte ihnen, er sei aller Wahrscheinlichkeit nach in den Urlaub gefahren, denn er hätte Zeitung und Milch abbestellt. Banks kritzelte eine Nachricht auf seine Karte, warf sie in den Briefkasten und beließ es dabei. Was sollte er sonst noch tun? Soweit er wusste, hatte Francis Henderson kein Verbrechen begangen - und wenn doch, so hatte es nichts mit dem Gloria-Shackleton-Fall zu tun. Er wollte Francis kennen lernen, größtenteils aus Neugierde, er wollte sehen, was für ein Mensch er war, und herausfinden, was er möglicherweise wusste, aber das reichte nicht aus, um eine kostspielige Fahndung zu rechtfertigen. Die DNA-Analyse wäre hilfreich, aber nicht ausschlaggebend.
      Es war halb sechs, der Auftritt der Band begann um sechs; sie sollte die Feierabendtrinker hereinlocken, obwohl Banks niemand im Publikum entdeckte, der aussah, als hätte er gearbeitet, es sei denn, es handelte sich sämtlich um Studenten und Fahrradkuriere. Brian stand mit den anderen auf einer niedrigen Holzbühne und baute das Equipment auf. Möglicherweise verdienten sie ihren Lebensunterhalt mit der Musik, aber Roadies konnten sie sich offensichtlich noch nicht leisten. Die vielen Boxen machten Banks ein wenig nervös. Er liebte Musik, und er wusste, dass Rock manchmal von der Lautstärke profitierte, aber er fürchtete Taubheit vielleicht noch mehr als Blindheit. Damals, zu seiner Zeit in Notting Hill, hatte er sich fast alle großen Gruppen live angesehen - The Who, Led Zeppelin, Pink Floyd, Jimi Hendrix, The Doors - und mehr als einmal war er am nächsten Tag mit einem Summen in den Ohren aufgewacht.
      Brian winkte ihn heran. Er wirkte ein bisschen nervös, aber das war nur verständlich; schließlich war er unter seinen Leuten und sein Alter kam sich seine Musik anhören. Die anderen würden ihn mit Sicherheit deswegen aufziehen. Er stellte Banks Andy den Mann am Keyboard, Jamisse, den Bassisten aus Mosambik, und den Schlagzeuger Ali vor. Banks wusste nicht, ob Brian seinen Freunden erzählt hatte, dass er bei der Polizei war. Wahrscheinlich nicht. Falls jemand Pot dabei hatte, hätte sich Brian mit dieser Information nicht gerade beliebt gemacht.
      »Ich muss nur noch die Gitarre stimmen«, sagte Brian, »dann komme ich runter. Okay?«
      »Klar. Bier?«
      »Gern.«
      Banks holte an der Theke zwei Bier und fand einen leeren Tisch ungefähr in der Mitte des Raumes. Zwischendurch kreischte die Rückkopplung in den Verstärkern, Ali schlug einen kleinen Trommelwirbel und Jamisse zupfte an einer Saite. Es war Viertel vor sechs, als sich Brian, sichtlich zufrieden mit dem Sound, von den anderen löste und zu Banks gesellte. Bisher war Banks gar nicht aufgefallen, wie sehr sich sein Sohn verändert hatte. Brian trug eine fadenscheinige Jeans, Turnschuhe und ein einfaches rotes T-Shirt. Sein dunkles Haar war lang und glatt, dazu trug er einen Dreitagebart. Er war groß, ein paar Zentimeter größer als Banks mit seinen eins siebenundsiebzig, und da er dünn war, wirkte er noch länger.
      Er setzte sich, kratzte sich an der Wange und vermied es, Banks anzusehen. Banks wollte nicht sofort in medias res gehen. Bloß nicht noch ein

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