Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
zum Beispiel.«
Banks lachte. Leicester Square war überfüllt mit Touristen, wie immer. Straßenkinder, Gaukler, Jongleure, Clowns und Schwertschlucker mühten sich ab, den Börsianern das eine oder andere Pfund zu entlocken, während die Taschendiebe es sich leichter machten. Auch die Hare Krishnas waren wieder da. Banks hatte schon seit Jahren keine mehr gesehen.
»Wie lief's mit deinem Sohn?«, fragte Annie.
»Wir konnten das eine oder andere klären.«
»Und die Band?«
»Ziemlich gut, obwohl ich bestimmt voreingenommen bin. Wir können sie uns ansehen, wenn sie mal im Norden spielen, dann kannst du dir selbst ein Bild machen.«
»Machen wir.«
Banks ging mit Annie in ein kleines bistroähnliches Restaurant in einer Seitenstraße der Shaftesbury Avenue. Es war voll, aber nach kurzem Warten an der Theke bekamen sie einen Tisch.
»Hab ich Hunger!«, sagte Annie, während sie sich auf den Stuhl zwischen Tisch und Wand quetschte, sich noch einmal umdrehte und ihre Einkaufstaschen hinter sich abstellte. »Aber ich sehe schon, dass das Essengehen mit dir zu einem ernstlichen Problem wird.«
»Wie meinst du das?«
»So ein Laden hat einem Vegetarier wohl kaum was zu bieten«, flüsterte sie. »Sieh dir mal die Speisekarte an!«
Banks warf einen Blick darauf. Sie hatte Recht: Lamm, Rindfleisch, Huhn, Fisch, Meeresfrüchte, aber nur wenige interessante vegetarische Gerichte außer Salaten. Doch was Banks anging, war interessantes vegetarisches Gericht< genauso ein Widerspruch in sich wie >Wirtschaftsethik<.
»Tut mir Leid«, sagte er. »Sollen wir's woanders versuchen?«
Sie legte ihm die Hand auf den Arm. »Nein, ist egal. Aber beim nächsten Mal suche ich aus.«
»Vor meinem inneren Auge tanzen schon Bilder von Tofu mit Algen.«
»Blödmann! So muss es doch nicht sein. Beim Inder gibt es super vegetarisches Essen. Beim Italiener auch. Über das Essen letzte Woche bei mir hast du dich auch nicht beschwert, oder?«
»Das wäre auch riskant gewesen. Ich wollte dich nicht beleidigen, kurz bevor ich es bei dir versuchte.«
Annie lachte. »Na, wenigstens bist du ehrlich.«
»Das war nicht ehrlich. Das war ein Witz. Das Essen war klasse. Der Nachtisch war auch nicht schlecht.«
»Da geht's schon wieder los!«
»Schon gut, du hast Recht. Beim nächsten Mal suchst du was aus, okay?«
»Abgemacht.«
»Wie wär's mit Wein?«
Sie wählten einen relativ preiswerten Roten - man konnte ihn auch als relativ teuer bezeichnen -, und Banks nahm den Lammkeulenbraten mit Rosmarin, während Annie mit gequältem Gesichtsausdruck sich für einen großen grünen Salat und Brot mit Käse entschied. Der Kellner, der zusammen mit der Einrichtung und der Speisekarte offenbar aus Frankreich eingeflogen worden war, grunzte missbilligend und verschwand.
Das Essen kam schneller, als Banks gedacht hatte, und sie warteten, bis der Kellner gegangen war. Das Lamm war zart und saftig, noch rosa in der Mitte; Annie rümpfte darüber die Nase, meinte aber, ihr Salat wäre in Ordnung. In Hintergrund säuselte romantische Dinnermusik. Trotz der herumhuschenden Kellner, des Gemurmels der Gespräche, des klappernden Bestecks und der klirrenden Gläser konnte Banks Teile des Andante cantabile aus Tschaikowskis »Streichquartett Nr. 1« erkennen.
Nach seinem Gespräch mit Brian fühlte er sich, als sei ihm eine große Last von der Seele genommen. Probleme gab es immer noch - beispielsweise Sean -, aber Brian würde einfach lernen müssen, mit der neuen Lage der Dinge umzugehen. Banks musste zugeben, dass dieser Sean ein richtiges Arschloch zu sein schien. Nicht zum ersten Mal malte er sich aus, bei ihnen vorbeizugehen und ihn zu Brei zu schlagen.
Eine äußerst reife Art des Umgangs mit dem Problem, sagte er sich. Würde allen Beteiligten ganz bestimmt nützen. Im Moment war wichtig, dass er und sein Sohn wieder miteinander sprachen. Und soweit er gehört hatte, war der Junge begabt; vielleicht konnte er sich in der Branche durchsetzen. Banks versuchte sich vorzustellen, er sei der Vater eines berühmten Rockstars. Würde Brian ihm eine Villa und einen Mercedes kaufen, wenn Banks alt und grau war?
Das Kerzenlicht unterstrich die leichte Röte auf Annies Wangen und legte geheimnisvolle Schatten und Reflexe in ihre dunklen Augen. Sie trug noch immer das Kostüm vom Vormittag, hatte aber ihre Haare gelöst, so dass sie ihr in
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