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Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer

Titel: Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Fassade des Metropole, die nach der liebevollen Restaurierung ihr orangefarbenes Terrakotta zurückerhalten hatte, sah so schwarz aus wie damals, als sie hier vor so vielen Jahren mit Charlie übernachtet hatte.
      Nichts hätte sie lieber getan, als ein oder zwei Stunden in ihrem Zimmer auszuruhen, vielleicht ein langes Bad zu nehmen, aber bald würde es vollkommen dunkel sein. Sie konnte ihren Ausflug auf ein andermal verschieben. Morgen standen Signierstunden in York und Harrogate auf dem Programm, aber sie konnte auch einen späteren Zug nehmen und ihren Besuch am Sonntagmorgen machen. Nein. Sie wollte es nicht weiter hinauszögern. Die Autorin in ihr fand es außerdem ironisch passend, den Ort während eines Gewitters zu besuchen.
      Sie rief an der Rezeption an und bat, ihr ein Taxi zu bestellen, dann zog sie Regenmantel und wasserdichte Stiefel über. Der Wagen wartete vor der Tür. Mit eingezogenem Kopf nahm sie Platz, den Regenschirm in der Hand, und nannte dem Fahrer das Ziel. Nun begann es zu regnen, große dunkle Tropfen fielen auf den Bürgersteig. Der Fahrer, ein junger Pakistani, übte sein Englisch bei einem höflichen Gespräch über das Wetter, gab jedoch bald auf und konzentrierte sich ganz auf das Fahren.
      Woodhouse Road war belebt, voller Menschen, die zum Wochenende hin frühzeitig Feierabend gemacht hatten. Wegen des Wettereinbruchs ging es nur langsam voran. Doch hinter der Stadtgrenze lief der Verkehr störungsfrei.
      Während Vivian durch die verregneten Scheiben starrte, hypnotisiert vom Quietschen der Scheibenwischer, dachte sie über ihren Besuch in der Leeds City Art Gallery am Tag zuvor nach. Der Anblick des Aktbildes von Gloria hatte so eine komplexe Reaktion in ihr hervorgerufen, dass sie noch immer unfähig war, alle Nuancen zu benennen.
      Sie hatte Gloria nie nackt gesehen, hatte Alice und Gloria und die anderen aus Schüchternheit oder Schamgefühl nie bei ihren Nacktbadeabenteuern begleitet, so dass der Anblick der weichen Haut und der verführerischen Kurven, so wie sie vom fachkundigen Auge und der Hand Michael Stanhopes interpretiert worden waren, eine Offenbarung dargestellt hatte.
      Was Vivian am meisten verstörte, war das stechende Verlangen, das das Gemälde in ihr wachrief. Sie hatte gedacht, längst über solche Gefühle hinweg zu sein, wenn sie sie denn überhaupt jemals empfunden hatte. Es stimmte, sie hatte Gloria geliebt, hatte sich selbst aber nie eingestanden, war sich noch nicht einmal bewusst gewesen, dass sie sie vielleicht auf diese Art geliebt hatte. Als sie sich nun an die unschuldigen gegenseitigen körperlichen Berührungen erinnerte - sich eine Naht auf die Beine zu malen, die Tanzstunden, wenn ihr Glorias Körper ganz nah gewesen war und sie ihr Parfüm einatmete, der kleine Kuss auf die Wange nach der Hochzeit -, war sie nicht mehr so überzeugt, dass das alles so unschuldig gewesen war. Die Gefühle, das Verlangen waren vorhanden gewesen, aber Vivian hatte solche Dinge nicht gekannt und sie verdrängt. In der Kunstgalerie war sie sich wie eine Perverse vorgekommen, die sich Pornographie ansieht; dabei war an Stanhopes Gemälde nichts Anzügliches, es waren nur ihre eigenen Gedanken und die damit verbundenen Gefühle.
      Sie dachte an den Moment, als sie Gloria einen Kuss auf die noch warme Stirn gegeben hatte, bevor sie sie in den Verdunkelungsstoff einwickelte. »Auf Wiedersehen, süße Gloria. Auf Wiedersehen, mein Schatz.«
      »Wie bitte?«, fragte der Fahrer und drehte sich zu ihr um.
      »Was? Ach, nichts. Nichts.«
      Vivian rutschte tiefer in ihren Sitz. Hinter Otley war nur noch wenig Verkehr. Die Straßen waren schmal, und eine Zeit lang hingen sie hinter einem Laster fest, der nur 50 Stundenkilometer fuhr. Es war nach fünf, als der Fahrer auf den Parkplatz beim Thornfield-Stausee bog. Es regnete jetzt heftig, die Tropfen klatschten auf die Blätter. Wenigstens konnte sie bei so einem Wetter sicher sein, dass sie den Ort ganz für sich hatte, dachte Vivian. Sie sagte dem Fahrer, es würde nur ein Viertelstündchen dauern, und bat ihn zu warten. Er griff zur Zeitung auf dem Beifahrersitz.
      Ein zweites Auto hielt auf dem anderen Parkplatz hinter der hohen Hecke, aber Vivian ging bereits durch den Wald, so dass sie es nicht bemerkte. Der Fußweg war heimtückisch, als hätte sich die verdörrte Erde nach der Möglichkeit gesehnt, jeden Regentropfen aufzusaugen. Vivian musste aufpassen, nicht auszurutschen, als sie

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