Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer

Titel: Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
Vom Netzwerk:
beeinträchtigt gewesen war, aber auch viel erfüllter, als sie sich je erträumt hatte. Die Zeit heilte vielleicht nicht alle Wunden, aber manches starb einfach ab, vertrocknete, blätterte ab.
      Nach Ronalds Tod hatte sie sich auf keinen Mann mehr eingelassen. (Man könnte behaupten, dass sie sich nicht einmal auf Ronald eingelassen hatte.) Aber einen kleinen Preis zahlte man immer, und es war ein verhältnismäßig kleiner gewesen, viel geringer als die Alpträume und die tiefsitzende, nagende Schuld, die zwar ihre kreative Flucht in die Welt der Phantasie beflügelten, sie aber gleichzeitig in jeder anderen Hinsicht verkrüppelten und ihr so tiefe Verzweiflung und schlaflose Nächte bescherten, dass sie fürchtete, es würde nie ein Ende haben.
      Und nun das. Sie sah den unschuldigen Passanten zu, die auf dem Bürgersteig vorbeigingen: Eine junge Frau in einem schicken grauen Kostüm sprach in ihr Handy; ein junges blondes Pärchen mit Rucksäcken, nach dem Aussehen zu urteilen skandinavische Touristen, hielt Händchen; ein Mann mit einem grauen Bart trug einen farbverschmierten Kittel; zwei Mädchen mit grünem und orangefarbenem Haar und Ringen in der Nase liefen vorbei. Vivian seufzte. Die Straßen von Hampstead. »All human life is here«, wie früher der Slogan der Nachrichten lautete. Na ja, vielleicht nicht das ganze menschliche Leben - jedenfalls nicht in Hampstead -, aber sicherlich das der privilegierten Bevölkerungsschichten.
      Waren sie wirklich alle unschuldig? Vielleicht nicht. Zweifelsohne lief durch die Straßen von Hampstead der eine oder andere Mörder.
      Vivian erschauderte bei dem Gedanken. Ihr fiel wieder ein, dass sie in den letzten Wochen immer öfter das Gefühl gehabt hatte, sie würde verfolgt. Sie hatte es auf ihre überreizte Phantasie geschoben. Schließlich verdiente sie ihren Lebensunterhalt mit der Beschreibung von Verbrechen, und die morbide Phantasie, die ihr das angenehme Leben ermöglichte, löste auch gelegentlich Panikattacken und Depressionsschübe aus. Es waren die beiden Seiten einer Medaille; sie profitierte von ihren Ängsten, aber sie musste auch mit ihnen leben. Also hatte sie es sich vielleicht wirklich nur eingebildet. Wer sollte sie überhaupt verfolgen wollen? Die Polizei? Bestimmt nicht. Wenn sie mit ihr reden wollte, würde sie direkt auf sie zukommen.
      Vivian warf noch einen kurzen Blick auf die Zeitung, die auf der Seite mit der Meldung über Hobb's End aufgeschlagen war, und seufzte. Nun, jetzt würden sie ja nicht mehr lange brauchen, oder? Und was würde dann aus ihrem schwerverdienten Seelenfrieden werden?
     
    Banks begann mit dem Studentensekretariat an Brians Universität und hatte nach zehn Minuten die Assistentin überzeugt, ihren »strengen Verschwiegenheitskodex« zu brechen, nachdem er ihr mehrere Lügen über die Wichtigkeit der verlangten Information aufgetischt hatte. Auf dem Block vor ihm stand die Londoner Telefonnummer eines Andrew Jones.
      Unsicher hielt er inne, bevor er wählte, er wusste nicht, was er zu Brian sagen sollte, wenn er durchkam. Er wusste nur, dass sie den Streit beilegen, ein Verhältnis finden mussten, um wieder wie vernünftige Menschen miteinander reden zu können. Zum Glück hatten sowohl er als auch Brian immer schnell vergessen können. Wann immer sie sich in der Vergangenheit auch gestritten hatten, schon nach wenigen Minuten machte einer von beiden einen Schritt auf den anderen zu und alles war vorbei. Sandra war diejenige gewesen, die lange vor sich hin schmollte; manchmal hielt sie eine Woche lang kühl Abstand und schwieg mürrisch, bis sie irgendwann mitteilte, warum sie sich überhaupt aufgeregt hatte.
      Ob Banks diesmal eine Versöhnung herbeiführen konnte, ohne wieder in die Rolle des erzürnten Vaters zu verfallen, wusste er nicht genau. Er hatte ja einen verdammt guten Grund, wütend zu sein. Brian hatte drei Jahre Hochschulausbildung vermasselt - das war für Banks und Sandra finanziell nicht einfach gewesen -, und dann hatte er sich wochenlang davor gedrückt, es seinen Eltern zu beichten, war praktisch von der Erdoberfläche verschwunden.
      Wie sich herausstellte, hätte sich Banks keine Gedanken machen müssen. Er wählte die Nummer, aber es nahm niemand ab, auch sprang kein Anrufbeantworter an.
      Als Nächstes rief er Annie an, sie klang aufgeregt, hatte ein Gemälde von Hobb's End gesehen, das ein Künstler namens Michael Stanhope angefertigt hatte. Banks konnte ihre

Weitere Kostenlose Bücher