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Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer

Titel: Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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wollte ich mehr über ihn wissen.«
      »Wie war es, das Bild, meine ich?«
      Annie beschrieb es ihm. »Ja, das ist Stanhope. Er war bekannt für seine Brueghel-ähnlichen Dorfszenen. Dazu eine Prise Lowry. Verstehst du, das war sein Problem: ein Epigone, hat nie einen eigenen erkennbaren Stil entwickelt. Von allem was dabei. Auch ein bisschen Stanley Spencer. Ganz komplizierter Symbolismus. Heutzutage alles andere als in. Egal, was kann Michael Stanhope mit einem Fall zu tun haben, an dem du gerade arbeitest?«
      »Vielleicht gar nichts. Wie ich schon sagte, er hat mich einfach neugierig gemacht. Weißt du, wo ich mehr über ihn herausfinden könnte? Gibt es ein Buch über ihn?«
      »Glaube ich nicht. So wichtig war er nicht. Das meiste von ihm wird in Privatsammlungen hängen, vielleicht ist es auch auf ein paar Galerien verteilt. Warum versuchst du es nicht in Leeds? Da haben sie eine halbwegs anständige Sammlung, wenn dich der ätzende Atkinson Grimshaw nicht stört. Ich würde sagen, dort müssten sie ein paar Stan-hopes haben, weil er ja von da kommt und so.«
      »Gute Idee«, meinte Annie und hätte sich ärgern können, nicht selbst darauf gekommen zu sein. »Das mach ich. Ach, Ray?«
      »Ja?«
      »Treib's nicht so wild.«
      »Tu ich nicht. Versprochen, mein Schatz. Komm uns bald mal besuchen. Tschüss!«
      »Tschüss.«
      Annie sah auf die Uhr. Kurz nach zehn. In einer Stunde könnte sie in Leeds sein und, statt in Harrogate ihre Einkäufe dort erledigen, zu Mittag essen und sich ein wenig in der Kunstgalerie umsehen. Sie nahm ihren Autoschlüssel und die Umhängetasche vom Sideboard und ging durch das Labyrinth zu ihrem Auto, das noch immer vor der Wache stand. Sie fragte sich, ob Inspector Harmond wohl etwas daraus folgerte. Wohl nur, wenn er auch wusste, dass Banks' Wagen die ganze Nacht an der Dorfwiese gestanden hatte. Es war ihr sowieso egal.
     
    ***
     
    Und Freundinnen blieben wir. Wir feierten zusammen ins neue Jahr, hakten uns unter und sangen »Auld Lang Syne«. Weihnachten war Hongkong an die Japaner gefallen und die Kämpfe in Nordafrika und Russland gingen unverändert hart weiter. Als der Winter bis in den Januar hinein kalt blieb, zogen sich die britischen Truppen auf der malayischen Halbinsel bis nach Singapur zurück.
      Obwohl ich oft über das Gesehene nachdachte, begann ich erst sehr viel später zu verstehen, was an jenem Heiligabend an der Wand des Lagerschuppens vor sich gegangen war, und selbst da wusste ich nicht, wie viel Schuld Gloria gehabt hatte. Was hatte Mark mit ihr anstellen wollen? Mir war es damals so vorgekommen, als wehre und sträube sich Gloria, aber als ich den Geschlechtsverkehr nicht viel später für mich selbst entdeckte, fand ich, dass er oft in dieser Hinsicht irreführend sein konnte; oft schien man sich zu sträuben und zu wehren, ganz besonders in unbeherrschten Augenblicken. Zurückblickend würde ich es jetzt als versuchte Vergewaltigung bezeichnen, aber die Erinnerung neigt dazu, ihren Gehalt mit der Zeit zu verklären.
      Also mühte ich mich, so gut ich konnte, den ganzen Zwischenfall aus meinem Kopf zu verbannen. Ich stimmte mit Gloria überein, dass man Matthew besser nicht einweihte. Das hätte nur eine Auseinandersetzung hervorgerufen und alle aufgebracht. Dass er in Kürze in den Krieg ziehen musste, machte es noch schlimmer; er würde sich auch so schon genug Sorgen machen, sie allein zurückzulassen.
      Doch manchmal, wenn ich nachts im Bett die Bomber über Röwan Woods dröhnen hörte, kam mir die Szene wieder ins'Gedächtnis, Glorias nackte weiße Oberschenkel über den Strümpfen, ihre seltsamen, gedämpften Geräusche irgendwo zwischen Schmerz und Hingabe, und dann verspürte ich in mir eine seltsame, zitternde Erregung, als ob ich auf der Schwelle zu einer großen Entdeckung stand, die jedoch nie überschritten wurde.
      Am 15. Januar 1942 ging der Feldwebel Matthew Shack-leton an Bord. Er wusste nicht, wohin ihn die Reise führte, aber wir nahmen alle an, er reise nach Nordafrika, um dort mit der Achten Armee zu kämpfen.
      Man stelle sich unsere Überraschung vor, als Gloria drei Wochen später einen Brief von Matthew aus Kapstadt in Südafrika erhielt. Natürlich konnten sie nicht durchs Mittelmeer segeln, aber dennoch schien Kapstadt auf dem Weg nach Nordafrika ein ziemlicher Umweg zu sein. Dann bekamen wir einen weiteren Brief aus Colombo auf Ceylon, dann aus Kalkutta in Indien. Wie dumm war ich

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