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Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer

Titel: Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Bild und malte es nach.
      Aber Stanhopes Vision war noch mehr: Wie sich Annie erinnerte, war der Hintergrund der Nackten Maja dunkel und undurchdringlich; es wirkte, als schwebe das Bett im Raum, das einzig Wichtige auf der Welt.
      Stanhope hatte seinem Modell auch keinen realistischen Hintergrund gegönnt. Wenn man ganz genau hinsah, entdeckte man Panzer, Flugzeuge, marschierende Soldaten, Explosionen und Hakenkreuze. In anderen Worten: Er hatte den Krieg in den Hintergrund gemalt. Es war subtil; weder sprangen die Bilder den Betrachter an, noch dominierten sie die Szene, aber sie waren da, und wer genau hinsah, konnte sie nicht ignorieren: Erotik und Massenvernichtungswaffen. Wie auch immer man das deuten wollte.
      Annie warf einen kurzen Blick auf die Angaben neben dem Gemälde an der Wand, dann trat sie keuchend zurück, so dass einer der Wächter vom Lesen aufsah.
      »Alles in Ordnung, Miss?«, rief er.
      Annie legte die Hand auf die Brust. »Was? Ja. O ja. Entschuldigung.«
      Er beäugte sie argwöhnisch und widmete sich wieder seiner Zeitung.
      Annie sah noch einmal hin. Im Katalog war es nicht erwähnt, aber da stand es, schwarz auf weiß unter Liegender Akt. Der Untertitel: Gloria, Herbst 1944
     
     

* 7
     
    Am Montagmorgen sah sich Banks zum wiederholten Male die Postkarte mit dem Druck von Liegender Akt: Gloria, Herbst 1944 an, die auf seinem Schreibtisch lag. Es war eine unheimliche, beunruhigende Erfahrung, die künstlerische Interpretation eines Körpers zu betrachten, der aller Wahrscheinlichkeit nach einmal die letzte Woche gefundenen schmutzbedeckten Knochen umhüllt hatte, und von diesem Anblick erregt zu werden. Banks verspürte ein prickelndes Schuldgefühl, so wie damals, als er auf die ersten Bilder nackter Frauen in Swank oder May fair starrte.
      Annie hatte mehrere Postkarten des Gemäldes aus der Kunstgalerie mitgebracht und ihn, begeistert von ihrer Entdeckung, am späten Samstagnachmittag angerufen. Sie hatten sich zum Abendessen in Cockett's Hotel in Hawes mit der festen Absicht getroffen, anschließend getrennte Wege zu gehen, da sie sich einig waren, nichts überstürzen zu wollen und Zeit für sich selbst zu brauchen. Doch nach der zweiten Flasche Wein hatten sie sich, anstatt zu gehen, ein Zimmer genommen und waren am Sonntagmorgen von Glockengeläut geweckt worden. Nach einem gemächlichen Frühstück reisten sie ab, denn sie waren übereingekommen, ihre Schäferstündchen aufs Wochenende zu beschränken.
      Das ganze Wochenende hatte Banks zu Hause versucht, Brian zu erreichen, erfolglos. Er wusste, dass er eigentlich Sandra anrufen und fragen musste, was sie von der ganzen Sache hielt, aber ihm war nicht danach. Vielleicht lag es daran, dass er mit Annie geschlafen hatte, vielleicht auch nicht, aber er war überzeugt, nicht mit Sandra sprechen zu können. Den Rest des Sonntags verbrachte er mit Zeitunglesen und kleineren Hausarbeiten.
      Er stellte sich in das geöffnete Fenster. Die goldenen Zeiger auf dem blauen Zifferblatt der Kirchturmuhr standen auf Viertel vor elf. Hupen lärmten in den Straßen und der Geruch frischen Brots aus der Bäckerei vermischte sich mit den Abgasen. Der erboste Fahrer eines Lieferwagens beschimpfte einen Touristen. Der Tourist schrie zurück und verschwand in der Menge. Noch ein Bus hielt auf dem Marktplatz und spuckte eine Ladung alter Damen aus. Sie kamen aus Worthing, wie Banks der seitlichen Beschriftung entnehmen konnte. Worthing. Warum konnten die alten Tratschtanten nicht da unten bleiben, die Röcke lupfen, im Wasser herumplantschen und sich den Seewind um die Nase wehen lassen? Warum mussten diese Horden alle in die Dales einfallen? Im Grunde genommen war James Herriot Schuld daran. Wenn es nicht diese Serie im Fernsehen gegeben hätte, wäre es hier menschenleer.
      Banks zündete sich eine verbotene Zigarette an und fragte sich nicht zum ersten Mal in diesem Jahr, warum er sich noch mit seiner Arbeit herumschlug. Oft genug war ihm danach gewesen, das Handtuch zu werfen. Zuerst hatte er es nicht getan, weil es ihm einfach egal gewesen war. Solange man ihn in Ruhe ließ, juckte es ihn nicht. Er wusste, dass er nicht seinen Fähigkeiten entsprechend eingesetzt wurde, nicht mal am Schreibtisch, aber es kratzte ihn nicht die Bohne. Es war doch so einfach, zur Arbeit zu erscheinen und angeödet Papier herumzuschieben oder auf dem Computer zu spielen. Die Wahrheit lautete: Sandras Auszug hatte ihn so verletzt, dass

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