Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
schütteres Haar, die »Roastbeef-Haut« eines Mannes mit Blutdruckproblemen und, großzügig berechnet, mindestens fünfzehn Kilo Übergewicht.
Annies Gedanken schweiften ab. Vielleicht war das die Antwort. Wenn Dalton für Sonntag tatsächlich eine Wanderung plante, bestand die Aussicht, dass nicht viele Menschen unterwegs sein würden. Mitten im Nichts war der beste Ort, sich ihm entgegenzustellen. Der Gedanke gefiel ihr. Sie würde sich am Sonntagmorgen absetzen müssen, aber das war vermutlich zu schaffen, wenn sie bis dahin alles durchorganisiert hatte. Schließlich hatte sie das Sagen, solange Banks weg war, also würde niemand Fragen stellen, wenn sie das Revier für ein paar Stunden verließ.
Konnte sie es wagen? Was würde sie sagen, wenn sie sich ihm auf einem einsamen Wanderpfad entgegenstellte? Was würde er tun? Würde er körperliche Gewalt anwenden, vielleicht sogar versuchen, sie für immer loszuwerden? Nachdem sie ihn wiedergesehen hatte, glaubte Annie nicht, dass sie sich deshalb Sorgen zu machen brauchte.
Aber wenn sie es recht bedachte, machte sie sich weniger Sorgen darüber, was er ihr an einem einsamen Ort antun könnte, als was sie ihm antun könnte.
Barry Cloughs Villa in Little Venice war hell erleuchtet, als Banks und Burgess am Samstagabend kurz nach acht ankamen. Jemand hatte die Fassade sogar mit Weihnachtslichten dekoriert und einen großen Christbaum in den Garten gestellt.
»Bisschen früh für eine Party, oder?«, meinte Burgess mit einem Blick auf seine Uhr.
»Für diese Kerle ist es nie zu früh«, erwiderte Banks. »Ihr ganzes Leben ist eine einzige Party.«
»Hey, hey, Banks. Ist Neid nicht eine der sieben Todsünden? Du sollst nicht begehren deines Nachbarn Arsch und all das.«
Das Eisentor war offen, aber vor dem Hauseingang stand ein Gorilla und kontrollierte die Einladungen. Keiner von den beiden, die Banks bei seinem vorherigen Besuch gesehen hatte. Vielleicht verbrauchte Clough seine Gorillas wie andere ihre Chauffeure oder Hausmädchen. Heutzutage war es nicht einfach, gute Dienstboten zu bekommen. Banks und Burgess zeigten ihre Dienstausweise, aber der Gorilla war eindeutig nicht darauf programmiert, mit so was fertig zu werden. So wie sich sein Gesicht vor Konzentration verzog, zweifelte Banks daran, dass der Mann überhaupt begriff, was er vor sich hatte.
»Die bedeuten, dass wir umsonst reinkommen«, sagte Burgess.
»Da muss ich erst beim Boss nachfragen. Warten Sie hier.«
Der Gorilla öffnete die Tür und ging hinein, und bevor er sie wieder schließen konnte, war Burgess ihm gefolgt, mit Banks auf den Fersen. Banks wurde klar, dass er nicht vergessen durfte, mit wem er hier war, was für ein Unsicherheitsfaktor Burgess sein konnte, und dass er, Banks, auf der Hut sein müsste. Trotzdem, er hatte den Mistkerl selbst dazu eingeladen, und es war gut, jemanden dabei zu haben, auf den Verlass war, wenn die Scheiße zum Kochen kam. Burgess ging Schwierigkeiten nie aus dem Weg, egal, in welcher Form sie auftauchten.
Das Haus war voller Menschen. Allen Arten von Menschen.
Jungen, alten, gefährlich aussehenden, bohemienhaften, gut gekleideten, abgerissenen, schwarzen, weißen - was auch immer. Musik dröhnte aus Boxen, die, diskret außer Sichtweite, überall angebracht zu sein schienen. »Tales of Brave Ulysses« von Cream, bemerkte Banks. Wie retro! Aber Clough musste Mitte zwanzig gewesen sein, als er als Roadie für die Punkband gearbeitet hatte, was bedeutete, dass er noch Teenager war, als Cream bekannt wurde, etwa im selben Alter wie Banks. Die Luft roch nach Marihuana.
Der Gorilla, der seinen Fehler bemerkte, drängte sich grob durch die Menge im Flur, rempelte zwei alles andere als nüchterne Gäste an, deren Drinks überschwappten, und kehrte, bevor der Song zu Ende war, mit Barry Clough im Schlepptau zurück.
Der große Mann selbst.
»Sind wir zur unpassenden Zeit gekommen, Barry?«, fragte Burgess.
Nachdem ein Ausdruck kalter Wut über seine gemeißelten Gesichtszüge geglitten war, lächelte Clough mit der Wärme eines Piranhas, klatschte in die Hände und rieb sie aneinander. »Ganz und gar nicht. Ganz und gar nicht.« Sein schwarzes T-Shirt spannte sich über seinem Bizeps, und an Brust und Schultern traten die Muskeln hervor. Für das wahre Aussehen eines Rebellen fehlte nur noch die in den aufgekrempelten Ärmel gesteckte Zigarettenpackung. Diesmal trug er keinen Schmuck
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