Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
Sie nicht, er war derjenige, der sie zurückhaben wollte.«
»Ja«, sagte Ruth, beugte sich vor und senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Das haben Sie mir erzählt. Aber warum wollte er sie zurückhaben? Haben Sie je darüber nachgedacht?«
Obwohl Samstag war, hatte an diesem Wochenende niemand von der Kripo in Eastvale dienstfrei. Die Überstunden würden ein Vermögen kosten, aber Chief Constable McLaughlin und Superintendent Gristhorpe würden kaum zögern, sie abzuzeichnen; bei diesem Fall gab es keine Einschränkungen. Wenn Annie die Leiche nicht gesehen hätte, wäre ihr bei dieser Bevorzugung vielleicht etwas unwohl gewesen, aber da sie sie gesehen hatte, hätte sie, selbst wenn das Opfer eine pockennarbige Hure gewesen wäre, heute an dem Fall gearbeitet, und sogar unentgeltlich, wenn es hätte sein müssen.
Und Banks, der Ermittlungsleiter, war in London. Was Annie die Verantwortung überließ. Sie begriff, dass er den Hinweisen nachgehen musste, von denen er bereits wusste, aber das bürdete ihr eine unerträglich schwere Last auf, besonders nach so wenig Schlaf, und sie war seinetwegen immer noch ein bisschen gereizt. Nach ihrem kurzen Gespräch am vorherigen Tag war sie ihm gegenüber etwas weicher geworden, aber sie hatte nach wie vor das Gefühl, dass er etwas zurückhielt. Sie wusste nicht, was es war oder worum es ging - vermutlich hatte es was mit Emilys Aufenthalt in London zu tun -, doch es gab ihr das Gefühl, dass er etwas wusste und sie nicht. Und das gefiel ihr ganz und gar nicht.
Am Morgen war sie bereits im Einsatzzentrum gewesen, in dem die übliche Geschäftigkeit herrschte. Winsome saß am Computer und stöhnte über den immer höher werdenden Stapel grüner Formulare zur Eingabe in HOLMES, und Kevin Rickerd sah aus, als hätte er seine wahre Lebensbestimmung darin gefunden sicherzustellen, dass jedes Schnipselchen mit Informationen ordentlich eingetragen und nummeriert wurde. Er sah ebenfalls so aus, als hätte er seit dem Mord nicht mehr geschlafen.
Dann hatte Annie die Nachforschungen zu Emilys Verbleib zwischen drei und sieben Uhr organisiert. Sie hatte am vergangenen Tag die Flugblätter bestellt, die bereits auf sie warteten, als sie zum Dienst kam. Banks hatte ihr das Foto gegeben, das dafür verwendet werden sollte, und Annie fand, dass Emily darauf etwas nuttig aussah. Er hatte gesagt, dass sich die Leute so an sie erinnern würden und es keinen Zweck hätte, ihre Eltern um ein Schulfoto oder eine geschönte Porträtaufnahme zu bitten, die sie sicherlich besaßen. Er hatte ebenfalls darauf bestanden, bei der Beschreibung zu betonen, dass sie älter als sechzehn aussah.
Unter dem Foto stand die Frage »HABEN SIE DIESES MÄDCHEN GESEHEN?« und darunter die Beschreibung, der Zeitraum, an dem sie interessiert waren, und eine Kontakttelefonnummer. Annie hatte ein halbes Dutzend Uniformierter ausgeschickt, die die Flugblätter an Plakatwänden und Telefonmasten entlang der Hauptstraßen und in so vielen Schaufenstern wie möglich anbringen sollten. Danach sollten die Beamten eine Haus-zu-Haus Befragung im Zentrum von Eastvale und dem Gebiet um den Black Bull durchführen. Soweit sie wussten, fuhr Emily trotz des gestohlenen Führerscheins nicht und hatte auch keinen Zugang zu einem Auto, also konnte man davon ausgehen, dass sie im Ort geblieben war. Sie hätte natürlich einen Bus oder Zug nehmen können, also wurde auch dort nachgefragt. Es bestand die gute Chance, dass ein Busfahrer, Mitreisende oder der Fahrkartenverkäufer sich an sie erinnerten, falls sie in den fehlenden vier Stunden irgendwo hingefahren war.
Annie selbst sollte in den Abendnachrichten auftreten, wie ihr mit etwas Bangen wieder einfiel. Sie mochte diese Fernsehauftritte nicht, fühlte sich unwohl dabei, weil sie wusste, dass man nur dazu da war, den Nachrichtensprecher gut aussehen zu lassen, egal, wie ernst und überzeugend man auch auftrat. Aber das war nur ein Vorurteil, das sie schlucken musste, wenn sie den Aufruf um Mithilfe rüberbringen wollte.
Erst kurz vor Mittag fand Annie die erste wirkliche Möglichkeit an diesem Tag, sich an ihren Schreibtisch zu setzen und ein bisschen Detektivarbeit zu leisten, während Kevin Templeton im Hintergrund telefonierte. Obwohl es ein Schuss ins Blaue war, wollte sie überprüfen, ob es andere Verbrechen mit gleichartiger Vorgehensweise unter Verwendung von mit Strychnin versetztem Kokain gegeben hatte. Das PHOENIX System,
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