Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
Frühstück, bestehend aus Kaffee und Toast, und einem kurzen Spaziergang in den St. Pancras Gardens, um einen klaren Kopf zu bekommen, fühlte Banks sich bereit, den Tag in Angriff zu nehmen. Bis Euston war es nur eine halbe Meile, also ging er zu Fuß durch die ruhigen Straßen von Somers Town zur Eversholt Street. Nach Milton Keynes gab es eine regelmäßige Zugverbindung, selbst am Sonntag, und er musste nur zwanzig Minuten auf den nächsten InterCity warten.
Während das städtische Erscheinungsbild Londons allmählich Vororten zwischen grünen Feldern und grasenden Kühen wich, machte Banks sich Notizen über das Gespräch mit Barry Clough vom vergangenen Abend. Manchmal machte er das direkt vor Ort, besonders von wichtigen Einzelheiten, aber während er mit Clough und Burgess in dem weißen Zimmer stand, war ihm das unpassend erschienen. Obwohl sein Gedächtnis in vieler Hinsicht mittelmäßig war, konnte er sich Gespräche zum Glück gut merken und sie zumindest innerhalb weniger Tage fast wörtlich wiedergeben.
Er dachte auch an die bevorstehende Befragung von Craig Newton und versuchte, sich eine Strategie zurechtzulegen. Diesmal kam er in offiziellem Auftrag, nicht als Privatdetektiv für Jimmy Riddle. Bei Craig Newton aufzutauchen und sein Vertrauen zu gewinnen, würde heikel und schwierig werden nach all den Lügen, die er ihm bei seinem letzten Besuch aufgetischt hatte. Bei Ruth Walker war es dasselbe gewesen, aber Craig Newton erschien ihm wesentlich empfindsamer als Ruth. Andererseits hatte Craig ihn ebenfalls belogen.
Obwohl Banks zum ersten Mal bei Tageslicht hier war, sah er auf der Taxifahrt zu Craigs Haus genau wieder nur wenig von Milton Keynes, nur etwas Beton und Glas. Vielleicht gab es sonst nichts zu sehen.
Craig Newton war zu Hause, und obwohl er verblüfft schien, Banks wieder zu sehen, bat er ihn herein. Seit dem letzten Besuch hatte sich hier wenig verändert, es war immer noch das Haus eines Junggesellen, mit kleinen Zeitungs- und Zeitschriftenstapeln hier und da und Kaffeeringen auf dem Couchtisch.
»Es tut mir Leid«, sagte Craig. »Sie wissen ... wegen Ihrer Tochter. Ich hab es in der Zeitung gelesen.«
Banks kam sich beschissen vor. Craig schien ein vertrauensvoller Typ zu sein, und er musste ihn enttäuschen. Aber eine harte Lektion über die Realität der Täuschung würde dem Jungen auf lange Sicht bestimmt nicht schaden. Da Banks seit Jahren Polizist war, hatte er schon vor langer Zeit aufgehört, jeden dazu bringen zu wollen, ihn zu mögen. Trotzdem fühlte er sich immer noch beschissen, als er seinen Dienstausweis rauszog.
»Craig sah ihn mit offenem Mund an. »Aber... Sie sagten...? Das verstehe ich nicht.«
»Ganz einfach, Craig«, sagte Banks und setzte sich. »Ich habe gelogen. Emilys Vater wollte, dass ich sie finde, und vorzugeben, er zu sein, statt Ihnen alles erklären zu müssen, schien mir eine gute Idee. Das können Sie doch sicher verstehen, oder?«
»Ich glaube schon, aber ...«
»Das war eine ganz einfache Strategie. Jeder würde mehr Mitgefühl mit dem Vater des Mädchens haben als mit einem Polizisten.«
»Darum haben Sie gelogen?«
»Ja.«
Craig schien sich in sich zurückzuziehen. »Was wollen Sie diesmal?«
»Mehr Informationen. Ich bin nicht der einzige, der gelogen hat, oder, Craig?«
»Sie haben mit Louisa gesprochen?«
»Sie müssen gewusst haben, dass ich das tun würde.«
»Was hat sie über mich gesagt?«
»Dass Sie sie belästigt haben, ihr gefolgt sind, sie verfolgt haben.«
»Ich habe ihr nie was angetan. Ich hab nur ... ich ...«
»Was, Craig?«
»Ich habe sie geliebt. Können Sie das nicht verstehen?«
»Das gab Ihnen nicht das Recht, ihr zu folgen und sie zu ängstigen, wenn sie Sie nicht sehen wollte.«
»Sie zu ängstigen? Das ist doch lächerlich. Sie hat mich kaum wahrgenommen.«
»Clough aber schon, nicht wahr?«
»Wer?«
»Ach, hören Sie auf, Craig. Sie wussten seinen Namen, oder? Sie wollten nur nicht, dass ich mit ihm darüber rede, wie Sie Emily verfolgt haben.«
Craig rieb sich die Nase. »Dieser Dreckskerl.«
»Damit haben Sie Recht. Aber lassen wir das für den Augenblick, ja?«
»Von mir aus gerne. Ihr wirklicher Name ist Emily. Stimmt das?«
Banks nickte.
»Und Gamine?«
»Ein Witz. Ein Anagram von Enigma, was eine Art Rätsel ist. Riddle auf Englisch. Emily Louise Riddle
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