Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
jemanden gefunden, der mir gesagt hat, wo Sie wohnen. Warum haben Sie sich nicht selbst gemeldet? Sie müssen doch von all unseren Bitten um Hinweise gehört haben.«
»Hinweise wozu ?«, fragte Alex mit verwirrtem Gesicht. Er sah recht gut aus, jungenhaft, obwohl sein Haar eine Wäsche nötig hatte und sein Adamsapfel so groß wie ein Tennisball war. Rasieren könnte er sich auch mal, fand Annie, oder wurde sie auf ihre alten Tage konservativ? Es hatte eine Zeit gegeben, erinnerte sie sich, als ihr Bartstoppeln bei einem Mann nichts ausmachten. Sie hatte sogar einen Ohrstecker im Nasenflügel getragen. Und das war noch gar nicht so lange her.
»Zu dem Mord«, erklärte sie. »Dem Mord an Emily Riddle. Sie wissen doch sicher, was in der Bar None passiert ist, kurz nachdem Sie den Club am Donnerstagabend verlassen haben?«
Alex und Carly sahen sie verständnislos an. »Nein.«
»Es stand in allen Zeitungen. Das Fernsehen hat darüber berichtet. Alle reden davon.«
»Wir haben keinen Fernseher und, na ja, um ehrlich zu sein«, sagte Alex, »haben wir schon tagelang keine Zeitung mehr gelesen. Zu viel mit dem Studium zu tun.«
So seht ihr aus, dachte Annie. »Aber haben Sie niemanden darüber reden hören?«
»Ich habe was von einer Überdosis gehört«, erwiderte Carly. »Aber ich hab das nicht in Verbindung gebracht. Ich hab auch nicht genau zugehört. Das ist so negativ. Ich lese solche Sachen nie. Das bringt mein Gleichgewicht durcheinander. Was wollen Sie von uns?«
»Warum haben Sie den Club so früh verlassen?«
Sie sahen sich an, dann lispelte Carly: »Uns hat die Musik nicht gefallen.«
»Und deswegen sind Sie gegangen?«
»Ja. Ich meine, Sie würden sich diesen Mist doch auch nicht die ganze Nacht anhören, oder?«
Annie lächelte. Nein, ganz bestimmt nicht. »Warum sind Sie dann überhaupt hingegangen?«
»Wir wussten nicht, was da für Musik läuft«, antwortete Alex. »Jemand vom College hat gesagt, man könnte dort gut etwas trinken und tanzen und, na ja ... sich entspannen.«
»Und Drogen kaufen?«
Carly wurde rot. »Wir nehmen keine Drogen.«
»Sind Sie deswegen hingegangen? Um Drogen zu kaufen? Und als Sie sie gekauft hatten, haben Sie den Club verlassen?«
»Sie sagte, wir nehmen keine Drogen, und das tun wir auch nicht«, knurrte Alex. »Warum glauben Sie uns nicht? Nicht jeder junge Mensch ist ein Drogenabhängiger, wissen Sie. Ich wusste, dass die Bullen gegenüber Schwarzen und Schwulen voreingenommen sind, aber ich dachte nicht, dass das auch für die Jugend im Allgemeinen gilt.«
Annie seufzte. Mal wieder die übliche Leier. »Ich würde Ihnen gerne glauben, Alex«, sagte sie. »Vielleicht in einer perfekten Welt. Aber ein Mädchen ist eines sehr qualvollen Todes gestorben, nachdem sie in der Bar None vergiftetes Kokain genommen hat, kaum eine halbe Stunde nachdem Sie beide gegangen sind, und wir wissen immer noch nicht, wann sie es bekommen hat oder woher. Wenn Sie mir irgendwie weiterhelfen können, gibt mir das ja wohl das Recht, hierher zu kommen und Ihnen ein paar einfache Fragen zu stellen, oder?«
»Es gibt Ihnen trotzdem nicht das Recht, uns zu beschuldigen, Drogen zu nehmen«, widersprach Alex.
»Himmel noch mal! Seien Sie doch kein Kindskopf, Alex. Wenn ich Sie beschuldigen würde, Junkies zu sein, säßen Sie bereits in einer Zelle und würden auf Ihren Pflichtverteidiger warten.«
»Aber Sie sagten ...«
»Vergessen wir das, ja?«
Beide schmollten noch etwas, nickten dann aber.
»Welche Musik gefällt Ihnen?«
Alex zuckte die Schultern. »Eigentlich alles Mögliche. Nur nicht dieser Techno-Rave-Disco-Mist, den sie in der Bar None spielen. Davon kriege ich Kopfschmerzen.«
Annie stand auf und ging zur CD-Sammlung, um sich selbst ein Bild zu machen. Hole, Nirvana, die Dancing Pigs, sogar eine alte Van Morrison. In der Tat eine große Bandbreite, aber sicherlich keine Tanzmusik. Nur fiel ihr auf, dass einige CDs keine Cover hatten, bloß getippte Inhaltsangaben, die in der Hülle steckten. Als sie genauer hinsah, entdeckte sie, dass auch die CDs selbst keine Logos von Plattenfirmen aufwiesen. Sie schaute zum Schreibtisch und sah dort ein paar gängige Softwareprogramme und Spiele liegen, die ebenfalls in unbezeichneten Hüllen steckten.
»Wo haben Sie die her?«, fragte sie und bemerkte, dass Carly wieder rot geworden war, als Annie die CD-Hüllen in die
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