Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
so niederträchtig? Er verstand natürlich, was Rosalind meinte. Es war viel beängstigender, jemand, auf den man sich stets verlassen konnte, den Fels in der Brandung, zusammenbrechen zu sehen als jemanden, der von vornherein schwach war. Banks hatte eine entfernte Tante, die immer wieder »merkwürdige Anwandlungen« hatte, wie seine Mutter das nannte, aber sie war geistig instabil und es überraschte niemanden. Natürlich machte man sich Sorgen und kümmerte sich, aber ihren »Anwandlungen« fehlte jede Art dramatischer Dimension.
»Na gut«, sagte er. »Ich versuche, mir morgen Zeit zu nehmen und mit ihm zu reden. Aber ich kann nichts versprechen.«
Ihr Gesicht hellte sich auf. »Wirklich? Das ist wunderbar. Um mehr bitte ich ja auch nicht.«
Warum lasse ich mich nur immer wieder auf solche Sachen ein?, fragte sich Banks. Sehe ich wie ein Trottel aus? Erst gebe ich ein Wochenende mit meiner Tochter in Paris auf - überlasse sie den Fängen dieses einsilbigen Dämon - und fahre nach London, um Emily Riddle zu suchen, und jetzt spiele ich den Seelenklempner auf Hausbesuch bei Jimmy Riddle, der für meine Karriere so viel getan hat wie Margaret Thatcher für die Gewerkschaften.
»Wo Sie schon hier sind, würde ich Ihnen gern noch ein paar Fragen stellen, wenn ich darf.«
»Wirklich?« Rosalind sah weg und drehte an ihrem Ehering. Sie hatte ihren Drink ausgetrunken und das leere Glas auf der Armlehne stehen gelassen.
»Noch einen Gin-Tonic?«
»Nein, danke. Ich muss noch fahren.« Sie sah auf ihre winzige goldene Armbanduhr und rutschte auf die Sesselkante. »Übrigens sollte ich jetzt wirklich zurückfahren. Ich habe Jerry gesagt, ich würde nur eine kleine Fahrt machen. Ich lasse ihn abends nicht gern allein. Das ist eine schlechte Zeit für ihn.«
»Ich verstehe«, sagte Banks. »Aber ich verspreche, Sie nicht länger als ein paar Minuten aufzuhalten.«
Sie lehnte sich zurück, entspannte sich aber nicht. Wieso war sie so nervös? fragte sich Banks. Was verschwieg sie ihm?
»Ruth Walker sagte, Sie wären am Apparat gewesen, als sie Emily anrief, aber Sie sagten, Sie hätten nie von ihr gehört. Warum?«
»Sie können doch nicht erwarten, dass ich mir den Namen jeder einzelnen Person merke, die anruft und Emily sprechen will. Vielleicht hat sie ihren Namen nicht genannt.«
»Im Allgemeinen tun die Leute das aber. Ich meine, das verlangt allein schon die Höflichkeit.«
»Sie wären erstaunt, wie vielen Menschen es selbst an grundlegender Höflichkeit mangelt. Oder vielleicht wären Sie nicht erstaunt. Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe nur das merkwürdige Gefühl, dass Sie mir etwas verschweigen. Vielleicht hat es mit Ruth Walker zu tun, vielleicht auch nicht, aber Sie weichen immer aus, wenn ihr Name erwähnt wird.«
»Das müssen Sie sich einbilden.«
»Mag sein. Mir ist mehr als einmal gesagt worden, dass ich zu viel Einbildungskraft hätte. Ihr Mann hat es mir oft genug vorgehalten.« Banks beugte sich vor. »Hören Sie, Mrs. Riddle, Sie glauben wahrscheinlich, es wäre nicht relevant oder wichtig, aber ich muss Sie warnen, dass Ihre Urteilsfähigkeit Sie in diesem Fall im Stich lassen könnte. Am besten ist, mir alles zu erzählen und mir das Urteil zu überlassen. Das ist mein Beruf.«
Rosalind erhob sich. »Danke für den Rat. Wenn ich irgendwas wüsste, das Relevanz für Ihre Ermittlungen hätte, würde ich den Rat sicher annehmen, aber da das nicht der Fall ist... Gut, ich muss jetzt wirklich gehen. Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft. Sie werden Jerry morgen besuchen?«
»Wenn nichts dazwischenkommt. Aber sagen Sie es ihm nicht, sonst versperrt er die Tür und verriegelt die Fenster.« Rosalind lächelte. Ein trauriges Lächeln, dachte Banks, aber trotzdem nett. »Und bitte denken Sie an das, was ich gesagt habe. Wenn es etwas gibt...«
Rosalind nickte rasch und ging. Banks sah ihr von der Tür aus nach, wie sie zur Straße nach Helmthorpe fuhr, goss sich dann einen weiteren Laphroaig ein und kehrte zu Anne-Sophie Mutter und Beethoven zurück.
* 15
Banks und Annie sahen Clough durch den Flur auf sich zukommen, begleitet von seiner Polizeieskorte und einem weiteren Mann. Banks bemerkte Cloughs Paul-Smith-Anzug, den Pferdeschwanz, die Goldkette und das dazu passende Armband, den großspurigen, selbstbewussten Gang und dachte: Drecksack.
»Tut mir Leid, Sie
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