Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
kann nicht so gut mit Worten umgehen, aber ich mache mir Sorgen um ihn.«
»Bedrückt ihn sonst noch etwas?«
»Keine Ahnung. Zumindest nichts, wovon er mir erzählt hat. Reicht das nicht schon?«
»Vielleicht sollten Sie ihn überreden, Hilfe von außen zu suchen? Bei jemandem, der sich mit Trauerarbeit auskennt? Ihr Arzt kann Ihnen sicher die richtige Behandlungsart empfehlen.«
»Das habe ich schon vorgeschlagen, aber es nützt nichts. Er will nicht.«
»Dann weiß ich nicht, was ich Ihnen raten soll.«
»Können Sie nicht mal mit ihm reden?«
»Ich?« Banks hätte beinahe laut aufgelacht. »Ich weiß nicht, was das bringen soll. Sie wissen, dass er mich nicht ausstehen kann.«
»Seine Einstellung Ihnen gegenüber hat sich in letzter Zeit ein wenig geändert.«
»Seit ich Emily dazu gebracht habe heimzukehren?« Banks schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Er hält sich nur an die Vereinbarung.« Banks fiel ein, was Emily über Riddles Neid gesagt hatte. Tief verwurzelte Gefühle verschwinden nicht einfach, weil man jemand einen Gefallen getan hat. In den meisten Fällen intensivieren sie sich, weil die Leute, die einen sowieso nicht leiden können, es übel nehmen, einem verpflichtet zu sein. Außerdem hatte Banks Riddle bei einer Lüge ertappt, und auch das musste ihn wurmen. Er erinnerte sich an Riddles schuldbewussten Ausdruck bei der Beerdigung.
»Aber er wollte, dass Sie die Ermittlung übernehmen.«
»Das war eine rein berufliche Entscheidung.«
»Ich wünschte trotzdem, Sie würden mit ihm reden.«
»Wenn er nicht auf Sie hört, wird er kaum auf mich hören.«
»Doch, möglich wäre es. Zumindest sind Sie ein Mann. Er hat nicht viele Freunde.«
»Was ist mit seinen Kollegen aus der Politik? Dort muss er doch Freunde haben.«
Rosalind nahm einen Schluck von ihrem Gin-Tonic. »Sie lassen ihn fallen wie eine heiße Kartoffel. Das hat mit dem Mord an Emily angefangen, ist aber seit dem Zeitungsartikel mit all den Andeutungen noch schlimmer geworden. Viele Anrufe, viel Mitgefühl, dann das Alte: >... vielleicht wäre es das Beste für uns alle, wenn ... zum Besten der Partei<. Heuchler!«
»Tut mir Leid, das zu hören.«
»Tja, das trägt sicher zu Ihrer schlechten Ansicht über die menschliche Natur bei, besonders über die menschliche Natur der Konservativen.«
Banks schwieg. Er sah ins Feuer, beobachtete, wie sich der brennende Torf verschob und Funken versprühte.
»Entschuldigen Sie. Das hätte ich nicht sagen sollen.« Rosalind lachte rau. »Ich rede mehr über mich als über Sie. Ich muss zugeben, dass meine Ansicht über die menschliche Natur in letzter Zeit auch einen ziemlichen Sturzflug gemacht hat.«
Die Musik endete, und Banks ließ die Stille andauern.
»Wenn Sie was anderes auflegen wollen, ist mir das recht«, sagte Rosalind. »Ich mag klassische Musik.«
Banks ging zur Stereoanlage und wählte eine andere Violinsonate von Beethoven aus, diesmal die Kreutzersonate.
»Mmm«, sagte Rosalind. »Wunderschön.«
Banks staunte darüber, wie sehr sie Emily ähnelte, besonders die Lippen; sie hatten dieselbe volle, aber fein umrissene Form und dasselbe natürliche Rot, bewegten sich sogar genauso, wenn Rosalind sprach. »Ich sehe immer noch nicht, was ich dabei machen kann«, sagte Banks. »Selbst wenn ich mit ihm rede. Und das heißt nicht, dass ich es tun werde.«
»Sie könnten es wenigstens versuchen. Wenn es nichts nützt...« Rosalind zuckte die Schultern.
»Was ist mit Ihnen?«
»Mit mir? Wieso?«
»Wie kommen Sie klar?«
»Es geht so. Ich stehe es durch. Manchmal habe ich das Gefühl, von Millionen kleiner rot glühender Angelhaken zerrissen zu werden, aber ansonsten geht es mir gut.« Sie lächelte. »Jemand muss ja durchhalten. Ich bin heute Nachmittag ins Büro gefahren, nachdem alle weg waren. Ich weiß, das klingt merkwürdig, aber langweilige Besitzüberschreibungen helfen mir, mich von ernsthafteren Angelegenheiten abzulenken. Jerry hat jetzt nicht mal mehr seine Arbeit. Er hat nichts. Er sitzt nur zu Hause herum und grübelt. Es ist erschreckend zu sehen, wie jemand wie er in sich zusammenfällt. Er war immer so stark, so stabil.«
Wie sind die Helden so gefallen, dachte Banks, sprach es aber nicht aus, weil das grausam gewesen wäre. Trotzdem, er hatte es gedacht, und das machte ihn zu einem schlechten Menschen; war er bereits
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