Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
über das Halbdunkel zu sein. Er drehte die Musik leiser und zündete sich eine Zigarette an.
»Wie war das Beisammensein?«
»Wie zu erwarten. Sie können froh sein, dass Sie arbeiten mussten.«
»Ich eigne mich nicht für solche Sachen. Hatten Sie die Möglichkeit, mit Ruth und Craig zu reden?«
»Nur kurz. Sie wissen, wie so was abläuft.«
»Wie war Ihr Eindruck?«
»Er scheint ein netter Bursche zu sein.«
»Ist er wohl auch«, sagte Banks. »Und Ruth?«
»Ich hatte kaum Gelegenheit, mit ihr zu reden. Ich bin nur froh, dass das alles vorbei ist.«
»Warum sind Sie hergekommen ? Wollten Sie mir etwas sagen?«
»Ihnen sagen? Nein. Wie kommen Sie darauf?«
»Warum sind Sie dann hier?«
Sie schwenkte den Drink in ihrem Glas, bevor sie antwortete. »Ich mache mir Sorgen um Jerry. Er nimmt das alles sehr schwer.«
»Das ist kaum verwunderlich. Ich meine, schließlich ist Ihre einzige Tochter tot, ermordet. Selbstverständlich nimmt er das schwer. Er ist ja nicht aus Stein. Und jetzt noch diese Sache in der Zeitung.«
»Nein, das allein ist es nicht.«
»Was dann?«
Rosalind seufzte, streckte ihre Beine aus und schlug die Knöchel übereinander. Eine Geste, die Banks an Annie Cabbot erinnerte.
»Sein ganzes Leben lang«, begann Rosalind, »hat für Jerry nur die Arbeit gezählt. Die Polizeiarbeit. Sie wissen, wie das ist, wie hoch die Anforderungen sind. Die Opfer, die er gebracht hat ... wir gebracht haben ...« Sie schüttelte den Kopf. »Damit will ich nicht sagen, dass er uns, seine Familie, nicht liebt, aber wir kamen stets an zweiter Stelle. Meine Karriere kam ebenfalls an zweiter Stelle. Wir mussten ständig umziehen, wann und wohin Jerry wollte, egal, was ich tat oder ob die Kinder gut in der Schule mitkamen. Das war schwer, aber ich habe es akzeptiert. Mir macht es nichts aus. Schließlich muss ich nicht bei ihm bleiben, wenn ich nicht will. Aber es hat sich gelohnt. Ich weiß, Sie halten ihn für einen Aufsteiger, und vielleicht ist er das auch, aber er kommt aus sehr bescheidenen Verhältnissen. Wie Sie, kann ich mir ( vorstellen.«
Banks rauchte und hörte zu. Er hatte nie über Riddles Herkommen nachgedacht, erinnerte sich aber vage, gehört zu haben, dass er aus einer Bauernfamilie in Suffolk stammte. Banks hatte den Eindruck, dass Rosalind einfach nur reden wollte, und er war es zufrieden, sie erzählen zu lassen, solange sie wollte, obwohl es ihm ein Rätsel war, warum sie sich ausgerechnet ihm anvertraute. Trotzdem war es ein gutes Gefühl, eine attraktive Frau im Haus zu haben - und dazu eine, die den Geist des Hauses spürte -, selbst wenn sie Jimmy Riddles Frau war. Aber andererseits gab es immer die Möglichkeit, dass er etwas Wichtiges über den Mord an Emily erfuhr.
»Wie gesagt, er hat hart gearbeitet, und wir haben eine Menge Opfer gebracht. Jerry ist... ich meine, er ist kein sehr emotionaler Mann. Unsere Ehe ... er findet es schwierig, Gefühle zu zeigen.« Sie lächelte. »Ich weiß, dass es vielen Männern ebenso geht, aber bei ihm ist es extrem. Er hat Emily sehr geliebt, hat es ihr aber nie zeigen können. Er wirkt übervorsorglich, wie eine Art Tyrann, der die Regeln aufstellt und es mir überlässt, sie durchzusetzen. Was mich in den Augen meiner Tochter ebenfalls zum Tyrannen gemacht hat. Er war nie da, wenn sie ihn gebraucht hätte; es ist ihnen nie gelungen, eine enge Bindung herzustellen.«
»Doch er hat sie geliebt?«
»Ja. Sehr. Er war so vernarrt in sie, wie er in jemanden außer sich selbst nur vernarrt sein kann.«
»Warum erzählen Sie mir das alles?«
Sie lächelte. »Ich weiß nicht. Vielleicht, weil Sie ein guter Zuhörer sind.«
»Fahren Sie fort.«
»Es gibt eigentlich nicht mehr viel zu erzählen. Wegen allem, was passiert ist, weil er nie fähig war, ihr seine Gefühle zu zeigen, immer versucht hat, sie zu zügeln, statt ihr Zuneigung zu geben, bricht er allmählich zusammen. Er sitzt nur da und antwortet kaum, wenn ich mit ihm rede. Es ist, als ließe er sich treiben, hätte sich in einer Art innerer Hölle verirrt und könne den Weg hinaus nicht mehr finden. Nach der Beerdigung ist es sogar noch schlimmer geworden. Ich kann nicht mehr mit ihm reden, er schließt mich aus. Zum Glück ist Benjamin mit meinen Eltern nach Barnstaple gefahren, sonst wüsste ich gar nicht mehr, was ich machen soll. Ich weiß, ich erkläre die Sache nicht sehr gut. Ich
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