Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
ihn an der offenen Tür stehen, trotz der Kälte nur mit Hemd und Jeans bekleidet.
Annie hielt vor dem Cottage und stieg aus.
»Was zum Teufel machst du hier?«, fragte Banks.
»Nette Begrüßung. Kann ich reinkommen?«
Er trat beiseite. »Von mir aus. Alle anderen machen's ja auch.«
Annie war darauf eingestellt gewesen, ihn direkt anzugreifen, hatte sich auf der Fahrt darauf vorbereitet, aber der Adrenalinstoß nach dem Beinahe-Unfall und Banks' Beiläufigkeit nahmen ihr etwas den Wind aus den Segeln. Sie ging hinein und setzte sich auf den Sessel. Er war noch warm von demjenigen, der gerade gegangen war.
»Und was kann ich für dich tun?«, fragte Banks, schloss die Tür und legte mehr Torf aufs Feuer.
»Als Erstes kannst du mir was zu trinken geben.« Annie deutete mit dem Kopf auf den Beistelltisch. »Von dem Wein da.«
Banks ging in die Küche, holte ein sauberes Glas und goss ihr Wein ein.
»Wer war das?«, fragte sie und nahm das Glas.
»Wer?«
»Die Person, die gerade wie eine aufgescheuchte Fledermaus abgerauscht ist. Die Person, die fast in mein Auto geknallt wäre.«
»Oh, die Person. Rosalind Riddle.«
»Eine Freundin von dir?«
»Arbeit.«
»Arbeit? Ach so, dann kann ich verstehen, warum du mir nichts davon erzählen wolltest. Ich bin ja auch nur deine stellvertretende Ermittlungsleiterin, oder?«
»Lass den Sarkasmus, Annie. Er passt nicht zu dir. Natürlich hätte ich dir davon erzählt.«
»Wie von allem anderen?«
»Wie bitte?«
»Oh, du weißt genau, was ich meine.«
»Klär mich auf.«
»Rosalind Riddle ist Arbeit, genau wie ihre Tochter Emily, richtig?«
»Ich verstehe dich nicht. Worauf willst du hinaus?«
»Ich will auf gar nichts hinaus.« Annie erzählte ihm, wie sie die grünen Formulare durchgeblättert und den Hinweis auf das Hotel Fifty-Five gefunden hatte. »Keine weiteren Maßnahmen, hat Winsome wenigstens gesagt. Also hab ich mich •gefragt, wieso ich nichts davon gehört hatte. Ich habe das Hotel angerufen, und siehe da, wer hat vor einem Monat den größten Teil der Nacht dort zusammen verbracht?«
Banks blieb stumm, schaute nur verlegen ins Feuer.
»Was ist los?«, fuhr Annie fort. »Hat's dir die Sprache verschlagen?«
»Ich weiß nicht, warum ich dir eine Erklärung schuldig wäre.«
»Ach, das weißt du nicht? Ich sag's dir. Mord. Deswegen. Emily Riddle wurde letzte Woche ermordet, oder hast du das vergessen?« Beim Sprechen merkte Annie, dass ihre Wut wieder hochkochte. »Jetzt, nach allem, was ich entdeckt habe, halte ich dich nicht mehr für fähig, diesen Fall zu bearbeiten, aber ich bin deine stellvertretende Ermittlungsleiterin, und du schuldest mir zumindest die verdammte Höflichkeit, mir die Wahrheit über deine Beziehung zu dem Opfer zu sagen.«
»Es gab keine Beziehung.«
»Lügner.«
»Annie, es ...«
»Lügner.«
»Lässt du mich wenigstens ausreden?«
»Wenn du die Wahrheit sagst.«
»Ich sage die Wahrheit.«
»Lügner.«
»Also gut. Ich mochte Emily. Na und? Ich weiß nicht, warum. Sie war ein schrecklicher Quälgeist, aber ich mochte sie. Mehr nicht. Eher wie eine Tochter als sonst was. Weiter ist es nicht gegangen. Ich hatte den Auftrag, sie in London zu finden. Sie ist auf einer Party in Schwierigkeiten gekommen, und der einzige sichere Ort, der ihr einfiel, war das Hotel. Ich hatte ihr einen Zettel mit dem Namen drauf gegeben, damit sie mich anrufen konnte, falls sie beschloss, nach Hause zu kommen. Sie war verängstigt und allein und kam ins Hotel. So einfach ist das.«
»Was für Schwierigkeiten?«
Banks erzählte ihr von dem Vorfall mit Andy Pandy bei der Party.
»Und du hieltest es nicht für nötig, mir, deiner Stellvertreterin, diese Information mitzuteilen?« Annie schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht glauben. Was hast du mir sonst noch verschwiegen?«
»Nichts, Annie. Hör zu, ich weiß, dass es falsch war, aber du verstehst doch sicher, dass ich besorgt war, wie es aussehen könnte?«
»Wie es aussehen könnte? Emily Riddle taucht um drei Uhr morgens in deinem Hotelzimmer auf und bleibt die ganze Nacht, und du machst dir Sorgen, wie es aussehen könnte. O ja, ich glaube, ich verstehe, warum.«
»Du denkst doch nicht etwa ...?«
»Was soll ich denn sonst denken? Was denn? Du verbringst die Nacht in einem Hotelzimmer mit einer geilen
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