Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
Pfarrerstochter wurde ein bisschen wild?«
»Ich bin 1959 geboren. Im November 1975 zogen wir nach Ealing. Während alle anderen sich Queen, Abba und Hot Chocolate anhörten, fuhren meine Freundinnen und ich mit der U-Bahn in die Stadt und hörten uns die Sex Pistols an. Das war ganz am Anfang, als sie noch ziemlich unbekannt waren. Sie hatten gerade ihren ersten Auftritt nach der Guy-Fawkes-Nacht im Saint Martin's College of Art, und ein Mädchen aus meiner neuen Schule war dort gewesen. Wochenlang redete sie von nichts anderem mehr. Als die Pistols das nächste Mal spielten, nahm sie mich mit. Es war fantastisch.«
Punk. Banks erinnerte sich an die Zeit. Doch er war älter als Rosalind und identifizierte sich mehr mit der Musik der Sechziger- als der Siebzigerjahre. Als er in London lebte, hatte er sich für Pink Floyd, Led Zeppelin und die verschiedenen örtlichen Bluesbands begeistert, die sich mit erstaunlicher Regelmäßigkeit zu bilden und wieder aufzulösen schienen. Trotzdem hatte er auf die aggressive Energie mancher Punkmusik reagiert - besonders auf The Clash, bei weitem die beste Band, seiner Meinung nach -, aber zum Kauf ihrer Platten hatte es nicht gereicht. Und da er zu der Zeit noch Polizist auf Probe war, hatte er die Gewalttätigkeit des Punk aus erster Hand erlebt, von der anderen Seite, was ihn ebenfalls abgeturnt hatte.
»Schon bald«, fuhr Rosalind fort und wurde lebhafter, während sie ihre Erinnerungen erneut durchlebte, »war es in vollem Gange. Das Aussehen. Die Musik. Die Einstellung. Alles. Meine Eltern erkannten mich nicht wieder. Wir sahen The Clash, The Damned, The Stranglers, The Jam. Alle. Meist in kleinen Clubs. Wir tanzten Pogo, wir warfen uns aufeinander, wir spuckten uns an. Wir färbten unser Haar in verrückten Farben. Wir trugen zerrissene Kleidung, Sicherheitsnadeln in den Ohren und ...« Sie hielt inne und zog den Pulloverärmel hoch. Banks sah eine Reihe mehr oder weniger runder weißer Flecken, die aussahen wie alte Narben. »Wir drückten Zigaretten auf unseren Armen aus.«
Banks hob eine Augenbraue. »Wie um alles in der Welt haben Sie das Ihrem Mann erklärt?«
»So neugierig war er nie. Ich habe nur gesagt, das wären alte Brandnarben.«
»Weiter.«
»Sie können sich vorstellen, wie aufregend das nach der muffigen und langweiligen Kindheit in einem Dorf in Kent war. Wir tickten völlig aus. Aber um es kurz zu machen, ich war siebzehn, und ich wurde schwanger. Es spielt keine Rolle, wer der Vater war; er hieß Mal und war längst weg, bevor ich es selbst wusste. Es passierte im möblierten Zimmer von irgendjemand, nachdem die Pistols einen ihrer Auftritte im Club 100 hatten, im Sommer 1976. Jerry hätte ich das nie erzählen können. Er war entsetzlich prüde, wie Sie bestimmt wissen. Ich weiß nicht, ob er tatsächlich glaubte, ich sei bei unserer Hochzeit noch Jungfrau gewesen, aber er war es mit Sicherheit. Wenn er es je herausgefunden hätte, na ja ... wer kann sagen, was dann passiert wäre? Ich habe es ihm jedenfalls verheimlicht.«
Banks erinnerte sich gut an den Club 100. In der Oxford Street, in seinem Revier, und er war mehr als einmal in den höhlenartigen Kellergewölben gewesen, um Prügeleien zu beenden und aufsässige Gäste mit hinauszubefördern. Einige Jahre später wurde ein Jazzclub daraus, fiel ihm ein. »Ich kann verstehen, warum Sie es ihm nicht sagen wollten«, meinte er. »Selbst heute reagieren einige Leute noch merkwürdig auf so etwas, und es überrascht mich nicht, dass Jimmy - ich meine, der Chief Constable - so war. Aber wieso spielt das jetzt noch eine Rolle?«
»Er wusste, dass ihr ihn alle Jimmy Riddle nanntet.«
»Ach ja? Er hat nie was gesagt.«
»Es war ihm egal. So was berührte ihn nicht, ließ ihn völlig kalt. Er war seltsam unempfindlich gegen Kritik oder Lächerlichkeit. Er hatte tatsächlich kaum Sinn für Humor, wissen Sie. Wie auch immer, ich habe Ihnen noch nicht die ganze Geschichte erzählt. Sie werden sehen, warum es eine Rolle spielt.« Sie rutschte auf dem Sessel nach vorne und umklammerte ihre Knie. Das Nächste kam fast flüsternd heraus, als dächte sie, jemand würde sie belauschen. »Mein erster Gedanke war, eine Abtreibung vorzunehmen, aber ... ich weiß nicht... ich wusste nicht, wie man das macht. Kaum zu glauben, aber wahr. Ein echter Punk, schwanger, doch in vieler Hinsicht war ich noch ein naives Mädchen vom Land. Dann kam auch noch meine religiöse
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