Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
»Aber ich verstehe immer noch nicht, was das mit dir zu tun hat.«
»Drei oder vier Monate vor Graham Marshalls Verschwinden habe ich mit ein paar Freunden unten am Fluss gespielt. Wir haben Steine geworfen, nur ein harmloses Vergnügen, wie Kinder das machen ...«
Während Banks sprach, stand ihm jener Tag wieder lebhaft vor Augen. Es regnete, und die Regentropfen platschten auf das schlammige Wasser. Ein Mann kam am Flussufer entlang. Banks konnte sich jetzt nur noch daran erinnern, dass der Mann groß gewesen war - aber damals kam ihm jeder Erwachsene groß vor - und dünn, mit schmierigen dunklen Haaren und rauer, pockennarbiger Haut. Banks hatte gelächelt und höflich mit einem großen Stein abgewartet, einem, den er mit beiden Händen halten musste, um den Fremden vorbei zu lassen.
Gleich darauf packte der Mann ihn an den Armen und schubste ihn zum Fluss. Der Stein fiel zu Boden. Banks roch den Bieratem, derselbe Geruch, den er von seinem Vater kannte, und noch etwas anderes - Schweiß, nassen Hund, Körpergeruch, wie der Geruch seiner Socken nach einem langen Rugbyspiel -, während er um sein Leben kämpfte. Er schrie und schaute sich nach seinen Freunden um, aber die rannten bereits zur Lücke im Zaun, durch die sie gekommen waren.
Der Kampf schien ewig zu dauern. Banks gelang es, seine Hacken in den Rand des Flussufers zu rammen, und sich mit aller Kraft dagegenzustemmen, aber das Gras war nass und die Erde darunter verwandelte sich rasch in Schlamm. Er glaubte nicht, dass er noch viel länger standhalten konnte.
Seine kleine Statur und Drahtigkeit waren sein einziger Vorteil, und er wand sich wie ein Aal, um dem festen Griff des Mannes zu entkommen. Denn wenn ihm die Flucht nicht gelang, würde er ertrinken. Er biss den Mann in den Arm, bekam aber nur den Mund voll mit einem übelschmeckenden Stoff, daher ließ er es sein.
Der Mann atmete jetzt schwer, als ließe seine Kraft nach. Banks mobilisierte seine letzten Energiereserven, zappelte und wand sich wie ein Aal. Es gelang ihm, einen Arm frei zu bekommen. Der Mann hielt ihn am anderen Arm fest und versetzte ihm einen Hieb gegen die rechte Schläfe. Banks spürte etwas Scharfes, wie einen Ring, der ihm die Haut aufritzte. Er zuckte unter dem Schmerz zusammen und riss sich los, bekam auch den zweiten Arm frei. Er sah sich nicht um, ob er verfolgt wurde, sondern rannte wie der Blitz zum Loch im Zaun.
Erst als er seine Freunde am Rand des Parks einholte, riskierte er einen Blick zurück. Niemand war zu sehen. Seine Freunde wirkten verlegen, als sie ihn fragten, wie es ihm ginge, aber er markierte den starken Mann. Alles in Ordnung. Innerlich zitterte er jedoch wie Espenlaub. Sie schworen sich gegenseitig, nichts zu sagen. Keinem von ihnen war es erlaubt, überhaupt am Fluss zu spielen. Ihre Eltern sagten, es sei zu gefährlich. Banks wagte nicht, seinen Eltern zu erzählen, was passiert war, erklärte den Schnitt an seinem Auge damit, dass er gefallen und sich an einem Stück Glas geschnitten hätte, und hatte sich danach nie wieder auf die Hilfe anderer verlassen.
»Ich hatte Unrecht. Ich hätte meinen Eltern davon erzählen sollen, Annie. Sie hätten es der Polizei gemeldet, und die hätten den Mann vielleicht geschnappt, bevor er noch mehr Unheil anrichten konnte. Da draußen lief ein gefährlicher Mann herum, und meine Angst und Scham gaben ihm die Möglichkeit, das zu tun, was er wollte.«
»Du gibst dir die Schuld für das, was mit Graham Marshall passiert ist? Für die Taten eines Kinderschänders?«
Banks wandte sich vom bierfarbenen Fluss ab und sah Annie an. »Als er vermisst wurde, konnte ich nur noch an den großen Mann mit den schmierigen dunklen Haaren und dem Körpergeruch denken.« Ein Schauder überlief Banks. Manchmal wachte er nachts immer noch von dem würgenden Geschmack des Ärmelstoffs auf und sah im Traum den Fluss, voll mit toten Jungs, die alle in dieselbe Richtung trieben, in Reih und Glied, und Graham Marshall war der einzige, den er erkannte. So viel Schuldgefühle.
»Aber du weißt doch nicht, ob es derselbe Mann war.«
»Spielt keine Rolle. Ich fühlte mich trotzdem schuldig. Ich war von einem älteren Mann angegriffen worden, vermutlich einem Perversen, und ich hatte es nicht gemeldet. Dann wurde ein Junge entführt, vermutlich von einem Perversen. Natürlich gab ich mir die Schuld. Und da konnte ich es auch nicht mehr melden.«
Annie legte ihm die Hand auf den
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