Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
raten.«
»Mach nur.«
»Ihn zu Tode zu ängstigen.«
»Genau. Angenommen, sie fahren mit dir von Eastvale nach Market Harborough. Du weißt genau, was am Ende der Fahrt passieren wird. Sie sorgen dafür, dass du keinen Zweifel hast, dass du weißt, es gibt keine Begnadigung, keine Umwandlung des Todesurteils, also hast du drei Stunden oder so Zeit, über dein Leben nachzudenken und dessen bevorstehendes und unausweichliches Ende. Ein Ende, das erwartungsgemäß schmerzhaft und brutal sein wird.«
»Grausame Dreckskerle.«
»Wir leben in einer grausamen Welt«, sagte Banks. »Aber aus ihrer Sichtweise ist das ein Abschreckungsmittel für andere Möchtegerndiebe und Verräter. Und vergiss nicht, das Opfer hat auch keine blütenreine Weste. Meist ist es ein Klein-krimineller, der einen mächtigeren Gauner verärgert hat.«
»Charlie Courage, der Kleinkriminelle. Passt haargenau.«
»Eben.«
»Außer, dass er in letzter Zeit angeblich sauber geblieben ist und es keine Gangsterbosse in Eastvale gibt.«
»Vielleicht ist er nicht so sauber geblieben, wie wir gedacht haben. Vielleicht ist es ihm nur gelungen, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Und es müssen auch keine Großgangster sein. Ich rede hier nicht von der Mafia oder den Triaden. Es gibt eine Menge kleinerer Ganoven, denen ein Leben nicht viel wert ist. Vielleicht ist Charlie mit so einem in Konflikt geraten. Denk mal darüber nach. Charlie hat als Nachtwächter gearbeitet. Er hat im letzten Monat tausend Pfund auf sein Konto eingezahlt, zusätzlich zu seinem Gehalt. Was sagt dir das, Annie?«
»Dass er entweder Informationen verkauft oder jemanden erpresst hat. Oder er wurde dafür bezahlt, wegzusehen.«
»Genau. Und die Sache muss weit über seine Hutschnur gegangen sein. Vielleicht bekommen wir ein besseres Bild, wenn wir morgen mit dem Manager von Daleview reden. Wir sind fast da.«
Banks umfuhr Leicester in Richtung Market Harborough, etwa dreizehn Meilen südlich gelegen. Als sie dort in die High Street kamen, war es fast Mittag, und Banks brauchte weitere zehn Minuten, um die Polizeiwache zu finden.
Bevor sie ausstiegen, sah Banks Annie fragend an. »Kriegen wir das hin?«
»Was meinst du damit?«
»Du weißt, was ich meine. Das hier. Die Zusammenarbeit.«
Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Tja, bis jetzt scheint es ganz gut zu klappen, oder?«, meinte sie und stieg aus dem Auto.
Inspector Collaton stellte sich als gemütlicher Bär heraus, mit schütterem grauem Haar, einem roten Gesicht und der langsamen Art eines Mannes vom Land. Ein Jahr vor der Pensionierung, schätzte Banks. Kein Wunder, dass Collaton sich keine Mordermittlung aufhalsen wollte. Collaton sah auf die Uhr und fragte: »Haben Sie schon gegessen?«
Die beiden schüttelten den Kopf
Collaton nahm seinen Regenmantel vom Garderobenständer. »Ich kenn da ein nettes Lokal.«
Sie folgten ihm zu einem kleinen Pub zwei Straßen entfernt. Nach dem Lächeln und den Begrüßungen zu schließen, war Collaton hier gut bekannt. Er führte sie zu einem Ecktisch, wo sie etwas abgeschieden saßen, und bot an, die erste Runde Drinks zu holen. Annie bat um einen Tomatensaft, doch Banks wusste, dass sie gerne Bier trank. Er bestellte ein Pint vom besten örtlichen Bitter. Im Kamin brannte ein Feuer, und Wände und Decke waren mit Weihnachtsschmuck dekoriert. Außer dem leisen Stimmengemurmel an der Bar war es hier recht ruhig. So mochte Banks seine Pubs, sie waren aber leider heutzutage viel zu selten geworden. Wie Annie das immer in Pubs tat, schien sie sich dem harten Stuhl anzupassen, streckte ihre Beine aus und schlug die Knöchel übereinander. Inspector Collaton hob die Augenbrauen beim Anblick ihrer roten Stiefel, sagte aber nichts.
Nachdem Banks auf Collatons Empfehlung Wildpastete bestellt und sich Annie, als Vegetarierin, für einen Imbiss aus Brot und Käse entschieden hatte, zündete sich Banks, wie er zu seiner Überraschung feststellte, die erste Zigarette des Tages an.
»Wir haben hier nicht viele Mordfälle«, sagte Collaton nach dem ersten Schluck.
Das überraschte Banks nicht. Nach allem, was er bisher gesehen hatte, schätzte er Market Harborough als etwas kleiner als Eastvale ein - vielleicht siebzehn- oder achtzehntausend Einwohner und Charlie Courage war in diesem Jahr das erste Mordopfer von Eastvale. Dazu noch im Dezember. »Haben Sie eine Ahnung, warum die sich
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