Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
einer Rolle Toilettenpapier lag. Das eine Schlafzimmer war leer bis auf ein paar Kartons mit Heftchen - meist Softpornos - und gebraucht gekauften Taschenbüchern, und im anderen, offensichtlich Charlies Schlafzimmer, gab es nur ein ungemachtes Bett und ein paar Kleidungsstücke.
Unten fand Banks in einer Schublade der Anrichte die einzig interessanten Gegenstände: die Besitzurkunde des Hauses, Charlies Führerschein, ein Scheckbuch und Kontoauszüge, denen zu entnehmen war, dass Charlie fünf mal innerhalb des letzten Monats 200 Pfund in bar eingezahlt hatte, zusätzlich zu seinem regulären Gehalt, wie es aussah. Tausend Pfund. Interessant, dachte Banks. Das erklärte zumindest den neuen Fernseher und den DVD-Spieler. Was hatte der betrügerische kleine Teufel angestellt? Und hatte ihn das getötet?
Der Mittwochmorgen zog genauso trübe herauf wie der Dienstag. Es war noch dunkel, als Banks nach Eastvale fuhr und unterwegs heißen schwarzen Kaffee aus einem speziell für Autofahrer entworfenen Becher trank. Die anderen Beamten waren schon im Büro, und Sergeant Hatchley sah besonders enttäuscht aus, dass er die Gelegenheit für eine Fahrt nach Leicestershire verpasst hatte. Oder er war vielleicht eifersüchtig, weil Banks in Annies Begleitung fuhr. Er warf Banks einen bitteren, niedergeschlagenen Blick zu, der besagte, dass die höheren Tiere immer die Puppen kriegten, und was sollte ein armer Sergeant denn machen? Wenn der nur wüsste.
»Du fährst, nehme ich an?«, fragte Annie, als sie auf den Parkplatz kamen.
Das war noch etwas, was Banks an Annie schätzte: Sie lernte schnell und hatte ein gutes Gedächtnis. Es war ungewöhnlich für einen Chief Inspector, sein eigenes Auto zu fahren. Einen Fahrer zu haben, war einer der Vorteile seiner Stellung, aber Banks fuhr gerne, selbst bei diesem Wetter. Er behielt gern die Kontrolle. Jedes Mal, wenn er andere fahren ließ, egal wie gut sie fuhren, wurde er unruhig und gereizt bei jedem kleinen Fehler, den sie machten, wollte ständig auf Kupplung und Bremse treten. Es schien viel einfacher, selbst zu fahren, darum machte er es. Annie verstand das und stellte seine Eigenheit nicht in Frage.
Banks schob eine Kassette mit Mozarts Bläserquintetten in den Rekorder des Cavalier, als er vom Parkplatz bog. »Mmm, das ist schön«, sagte Annie. »Mozart gefällt mir.« Dann lehnte sie sich zurück und verfiel in Schweigen. Auch das mochte Banks an ihr, wie er sich erinnerte. Ihre konzentrierte, selbstgenügsame Art. Wie sie sich in den merkwürdigsten Sitzhaltungen wohl fühlen und entspannen und wie gut sie schweigen konnte. Er hatte eine Weile gebraucht, sich an ihren absoluten Mangel an Respekt vor Vorgesetzten zu gewöhnen, besonders vor ihm, genau wie an ihre eher lässige Art, sich zu kleiden. Die hatte sie aus der Künstlerkommune übernommen, in der sie aufgewachsen war, umgeben von bärtigen Typen wie ihrem malenden Vater Ray Cabbot. Heute trug sie spitze rote Stiefel, die ihr bis über die Knöchel reichten, schwarze Jeans und einen Fair-Isle-Pullover unter ihrer lockeren Wildlederjacke. Ziemlich konservativ für Annie.
»Wie gefällt es dir in Eastvale?«, fragte er, nachdem er sich in den Verkehr auf der A1 eingefädelt hatte.
»Schwer zu sagen. Ich hab ja noch kaum meine Füße unter den Schreibtisch gestellt.«
»Wie geht's mit dem Fahren?«
»Ich brauche pro Strecke etwa eine Dreiviertelstunde. Das geht.« Sie sah ihn von der Seite an. »Ungefähr genauso lange wie du, wenn ich mich recht erinnere.«
»Stimmt. Hast du mal dran gedacht, das Haus in Harkside zu verkaufen?«
»Hab ich, aber ich glaube nicht, dass ich das mache. Wenigstens jetzt noch nicht. Ich will erst mal abwarten.«
Banks erinnerte sich an Annies winziges, enges Cottage im Zentrum eines Labyrinths schmaler, gewundener Straßen im Dorf Harkside. Er erinnerte sich an seinen ersten Besuch, als sie ihn impulsiv zum Essen eingeladen und ein vegetarisches Nudelgericht gekocht hatte, während sie Wein tranken und Emmylou Harris hörten; erinnerte sich, wie er nach dem Essen zum Rauchen in den Hinterhof gegangen war, ihr den Arm um die Schultern gelegt und den dünnen BH-Träger gespürt hatte. Trotz aller Warnzeichen ... erinnerte er sich auch daran, wie er die kleine tätowierte Rose direkt über ihrer Brust geküsst hatte, an ihre Körper, verschwitzt und müde, an die ungewohnten Straßengeräusche am nächsten Morgen.
Er bog von der
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