Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
wundern, wenn McLaughlin auch Bescheid wüsste.«
»Beziehungen auf der Arbeit sind nichts Ungewöhnliches, und verboten sind sie schon gar nicht.«
»Das nicht, aber es wird nachdrücklich davon abgeraten und argwöhnisch beobachtet. Ich will Chief Inspector werden, Alan. Mensch, ich will Superintendent, Chief Constable werden. Wer weiß? Ich hab meinen Ehrgeiz wiederentdeckt.«
Es war Ironie des Schicksals, dass Annie ihren Ehrgeiz gerade in dem Moment wiederentdeckte, als Banks an die Grenzen seines eigenen gestoßen war. »Und ich stehe dir dabei im Weg?«
»Du stehst mir nicht im Weg. Du lenkst mich ab. Ich kann keine Ablenkung gebrauchen.«
»Immer nur Arbeit und kein Vergnügen ...«
»Dann bin ich jetzt eben langweilig. Mal was anderes.«
»Das war's dann also? Einfach so? Aus und vorbei. Schluss. Weil ich ein Mensch bin und eine Vergangenheit habe, die manchmal ihren hässlichen Kopf erhebt, und weil du beschlossen hast, dich verstärkt um deine Karriere zu kümmern, deshalb treffen wir uns nicht mehr?«
»Wenn du es so ausdrücken willst: ja.«
»Wie soll man es denn sonst ausdrücken?«
Annie trank schneller. Banks merkte, dass sie gehen wollte. Verflucht noch mal, er war gekränkt und sauer und wollte sie nicht einfach so davonkommen lassen.
»Bist du sicher, dass es nicht noch was gibt?«, fragte er.
»Was denn?«
»Keine Ahnung. Du bist doch auf niemanden eifersüchtig, oder?«
»Eifersüchtig? Auf wen denn? Warum sollte ich?«
»Auf Jenny vielleicht?«
»Oh, Himmel Herrgott noch mal, Alan. Nein, ich bin nicht eifersüchtig auf Jenny. Wenn ich auf jemanden eifersüchtig bin, dann auf Sandra. Verstehst du das nicht? Sie hat mehr Macht über dich als alle anderen.«
»Das stimmt nicht. Nicht mehr.« Aber Banks fiel wieder der Brief ein und wie er sich gefühlt hatte, als er die kühlen, unpersönlichen Worte gelesen hatte. »Gibt es vielleicht einen anderen? Geht es darum?«, schob er schnell nach.
»Alan, es gibt niemanden. Glaub mir. Das hab ich doch gerade gesagt. Ich habe in meinem Leben im Moment keinen Platz für einen anderen Menschen. Ich kann die emotionalen Ansprüche anderer nicht erfüllen.«
»Was ist mit sexuellen Ansprüchen?«
»Was meinst du damit?«
»Es muss ja kein Sex mit Gefühlen sein, oder? Ich meine, wenn es zu anstrengend ist, mit jemandem zu schlafen, der ein bisschen was für dich übrig hat, dann wäre es ja vielleicht einfacher, in einer Kneipe irgendeinen Stecher anzumachen für eine schnelle anonyme Nummer. Ohne Ansprüche. Ihr müsst noch nicht mal wissen, wie ihr heißt. Willst du das?«
»Alan, ich weiß nicht, worauf du hinauswillst, aber ich möchte jetzt gerne aufhören.«
Banks rieb sich die Schläfen. »Ich bin einfach durcheinander, Annie, sonst nichts. Entschuldige. Ich hatte auch einen schlechten Tag.«
»Das tut mir Leid. Ich will dir wirklich nicht wehtun.«
Er sah ihr in die Augen. »Dann lass es. Mit wem auch immer du dich einlassen wirst, du musst dich den Dingen stellen, denen du aus dem Weg gehst.«
Er sah die Tränen in ihren Augen. Bisher hatte er sie nur weinen sehen, als sie ihm von der Vergewaltigung erzählt hatte. Er wollte ihre Hand berühren, aber sie zog sie weg. »Nein. Nicht.«
»Annie ...«
»Nein.«
Sie stand so abrupt auf, dass sie gegen den Tisch stieß und ihr Glas Banks auf den Schoß fiel. Dann eilte sie aus dem Pub, noch bevor er etwas sagen konnte. Er saß einfach da, die kalte Flüssigkeit sickerte in seine Hose und alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Er war froh, dass sie nicht im Queen's Arms waren, wo ihn jeder kannte. Und er hatte geglaubt, der Tag könnte nicht noch schlimmer werden.
* 17
Nachdem sie ihr letztes Tutorium beendet und ein bisschen Schreibarbeit erledigt hatte, verließ Jenny ihr Büro in York am frühen Dienstagnachmittag und machte sich auf zur A1 Richtung Durham. Es herrschte starker Verkehr, hauptsächlich Lkws und Lieferwagen, aber immerhin war es ein angenehmer, sonniger Tag ohne Regenschauer.
Nach dem Gespräch mit Keith Murray - falls er sich einverstanden erklärte, mit ihr zu reden - glaubte Jenny noch genug Zeit zu haben, um später am Nachmittag nach Edinburgh weiterzufahren und Laura Godwin aufzusuchen. Es würde auf eine Übernachtung hinauslaufen - oder auf eine lange Heimfahrt im Dunkeln -, aber darüber konnte sie sich noch später
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