Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
Emily suchte, der ausgerissenen Tochter von Chief Constable Riddle. Im Nachhinein kam es ihm albern vor, mit welchen Hoffnungen er zu dem Abendessen gegangen war - voller Zuversicht, dass Sandra ihre Irrungen einsehen, den Notnagel Sean abschießen und zu ihm zurückgeeilt kommen würde. Und das alles nur, weil er sich für eine Stelle beim National Crime Squad, der überregionalen Kriminalpolizei, beworben hatte, für die er zurück nach London hätte ziehen müssen.
Falsch gedacht.
Stattdessen hatte sie ihm eröffnet, sie wolle sich scheiden lassen, um Sean heiraten zu können. Banks hatte geglaubt, dass dieses kathartische Erlebnis Sandra ein für alle Mal aus seinem Körper gewaschen hatte und damit auch jeden Gedanken daran, zum National Crime Squad zu gehen.
Und jetzt erzählte ihm Tracy von der Schwangerschaft.
Banks hatte nicht die geringste Ahnung gehabt, hatte keine Sekunde lang vermutet, dass die beiden heiraten wollten, weil sie sich ein Kind wünschten. Was, um Himmels willen, ging in Sandras Kopf vor? Die Vorstellung, dass Brian und Tracy einen zwanzig Jahre jüngeren Halbbruder oder eine Halbschwester bekämen, erschien Banks abstrus. Und der Gedanke, dass Sean, den er noch nie gesehen hatte, der Vater war, erschien ihm noch grotesker. Er versuchte sich vorzustellen, wie die beiden in Gesprächen zu diesem Entschluss kamen, wie sie sich liebten, wie in Sandra nach so vielen Jahren der Mutterinstinkt aufflammte. Schon von der nebelhaftesten Fantasie wurde ihm übel. Er kannte sie nicht mehr, diese Frau Anfang vierzig, die ein Kind von ihrem Freund erwartete, mit dem sie noch keine fünf Minuten zusammen war. Es machte ihn traurig.
Ohne sich entsinnen zu können, die Buchhandlung Borders betreten zu haben, stand Banks vor der bunten Auslage von Bestsellern. Da klingelte sein Handy. Er verließ das Geschäft und verdrückte sich ins Victoria-Viertel, ehe er dranging. Gegenüber vom Harvey-Nichols-Cafe lehnte er sich neben einer Tür an die Wand. Es war Stefan.
»Alan, ich dachte, Sie wollten es so schnell wie möglich erfahren. Wir haben die drei Leichen im Keller identifiziert. Hatten Schwein mit den Zahnärzten. Die DNA lassen wir aber noch durchlaufen, prüfen mit den Eltern quer.«
»Das ist Klasse«, sagte Banks, aus den düsteren Gedanken über Sandra und Sean gerissen. »Und?«
»Melissa Horrocks, Samantha Foster und Kelly Matthews.«
»Was?«
»Ich hab gesagt...«
»Ich hab gehört, was Sie gesagt haben. Ich dachte nur ...« Menschen mit Einkaufstüten gingen vorbei. Banks wollte nicht, dass jemand mithörte. Um ehrlich zu sein, kam er sich wie der letzte Idiot vor, in der Öffentlichkeit mit dem Handy zu telefonieren, auch wenn sich niemand daran störte. Er hatte sogar einmal erlebt, wie ein Vater in einem Cafe in Helmthorpe seine Tochter auf dem Spielplatz auf der anderen Straßenseite anrief, als es Zeit war, nach Hause zu gehen. Das Kind hatte das Handy ausgeschaltet, und der Vater hatte geflucht, weil er die Straße überqueren und mit seiner Tochter schimpfen musste. »Ich wundere mich nur, mehr nicht.«
»Wieso? Was ist denn?«
»Die Reihenfolge«, erklärte Banks. »Die stimmt überhaupt nicht.« Er senkte die Stimme und hoffte, dass Stefan ihn noch verstand. »In umgekehrter Reihenfolge: Kimberley Myers, Melissa Horrocks, Leanne Wray, Samantha Foster, Kelly Matthews. Eine von den dreien müsste Leanne Wray sein. Warum ist sie nicht dabei?«
Ein kleines Mädchen an der Hand seiner Mutter schaute Banks neugierig an, als es im Einkaufszentrum an ihm vorbeiging. Banks schaltete das Handy aus und kehrte nach Millgarth zurück.
Jenny Füller wunderte sich, Banks am Abend vor ihrer Tür stehen zu sehen. Es war lange her, dass er sie zu Hause besucht hatte. Sie hatten sich oft zum Kaffee oder auf ein Bier getroffen, sogar zum Mittag- oder Abendessen, doch zu ihr war er nur selten gekommen. Jenny hatte sich gefragt, ob das etwas mit ihrem plumpen Annäherungsversuch bei ihrem ersten gemeinsamen Fall zu tun hatte.
»Komm rein!«, sagte sie, und Banks folgte ihr durch den schmalen Flur in das Wohnzimmer mit der hohen Decke. Seit seinem letzten Besuch hatte sie die Möbel umgestellt und neu gestrichen. Sie merkte, dass er sich auf Polizistenart umsah, alles registrierte. Na, die teure Stereoanlage war immer noch da, und das Sofa, grinste sie in sich hinein, war genau dasselbe, auf dem sie versucht hatte, ihn zu
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