Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
gesagt, es sei die Arbeit der Polizei, und da hatte er Recht.
Sie goss Wein nach. »Und wenn ich einverstanden bin?«, fragte sie. »Wo fange ich dann an?«
»Hier und jetzt«, erwiderte Banks und kramte seinen Notizblock hervor. »Es gibt eine Freundin in der Nat-West-Filiale, wo Lucy Payne arbeitet. Einer von uns war da und hat mit den Angestellten gesprochen. Nur eine von denen kennt Lucy näher. Sie heißt Pat Mitchell. Dann gibt es noch Clive und Hilary Liversedge. Lucys Eltern. Sie wohnen in der Nähe von Hull.«
»Wissen sie Bescheid?«
»Ja, sicher. Wofür hältst du uns?«
Jenny hob ihre hübsche, gezupfte Augenbraue. »Wie haben sie reagiert?«
»Bestürzt natürlich. Fast schon niedergeschmettert. Aber der Kollege, der sie befragt hat, sagte, sie waren keine große Hilfe. Sie hatten keinen engeren Kontakt mehr mit Lucy, seit sie Terry geheiratet hat.«
»Haben sie sie im Krankenhaus besucht?«
»Nein. Die Mutter ist offenbar zu krank für die Fahrt und der Vater muss sie pflegen.«
»Was ist mit seinen Eltern? Mit Terrys?«
»Nach dem, was wir bisher herausgefunden haben«, sagte Banks, »ist seine Mutter in einer Nervenheilanstalt - wohl schon seit circa fünfzehn Jahren.«
»Weswegen?«
»Schizophrenie.«
»Und der Vater?«
»Starb vor zwei Jahren.«
»Woran?«
»Schlaganfall. Er war Schlachter in Halifax, vorbestraft wegen kleinerer Sexualdelikte - öffentliche Entblößung, Spannen, solche Sachen. Klingt nach einem klassischen Hintergrund für einen wie Terry Payne, meinst du nicht?«
»Wenn es so was gibt.«
»Das Wunder ist, dass Terry es geschafft hat, Lehrer zu werden.«
Jenny lachte. »Ach, heutzutage lassen sie jeden auf die Kinder los. Außerdem ist das nicht das Wunder.«
»Sondern?«
»Dass er es geschafft hat, die Stelle so lange zu behalten. Und dass er verheiratet war. Normalerweise fällt es Sexualstraftätern wie Terence Payne schwer, einen Job länger auszuüben und eine Beziehung aufrechtzuerhalten. Unser Mann hat beides geschafft.«
»Ist das wichtig?«
»Es ist auffällig. Wenn ich vor ein, zwei Monaten ein Täterprofil hätte erstellen müssen, dann hätte ich gesagt, ihr solltet nach einem Mann zwischen zwanzig und dreißig suchen, der höchstwahrscheinlich allein lebt und irgendeinen Aushilfsjob macht oder häufig die Stelle wechselt. Da sieht man mal wieder, wie man danebenliegen kann, was?«
»Machst du es?«
Jenny spielte mit dem Stiel ihres Weinglases. Mozart war verstummt, der Nachklang der Musik hing noch im Raum. Ein Auto fuhr vorbei, auf der Dorfwiese bellte ein Hund. Jenny hatte genug Zeit, um zu tun, worum Banks sie gebeten hatte. Am Freitagmorgen musste sie eine Vorlesung geben, aber die hatte sie schon hundertmal gehalten, musste sich also nicht darauf vorbereiten. Erst am Montag hätte sie wieder Tutorien. Eigentlich hatte sie die Zeit. »Wie schon gesagt, es ist faszinierend. Ich muss selbst mit Lucy reden.«
»Das lässt sich arrangieren. Schließlich bist du ja offiziell unsere beratende Psychologin.«
»Das geht dir jetzt leicht über die Lippen, wo du mich brauchst.«
»Das war mir schon die ganze Zeit klar. Lass dich doch nicht von ein paar engstirnigen ...«
»Schon gut«, unterbrach ihn Jenny. »Du hast dich klar genug ausgedrückt. Ich kann damit umgehen, wenn ein paar dämliche Trottel hinter meinem Rücken über mich lachen. Ich bin ein großes Mädchen. Wann kann ich mit ihr reden?«
»Am besten so schnell wie möglich, solange sie noch unsere einzige Zeugin ist. Ob du es glaubst oder nicht, aber es soll Verteidiger geben, die behaupten, dass Psychologen ihre Mandanten verleiten, sich selbst zu belasten. Wie wär's mit morgen Vormittag? Ich muss eh um elf zur nächsten Obduktion im Krankenhaus sein.«
»Wie schön für dich. In Ordnung.«
»Ich hole dich ab, wenn du willst.«
»Nein. Ich fahre direkt zu den Eltern, nachdem ich mit Lucy und ihrer Freundin gesprochen habe. Dafür brauche ich mein Auto. Treffen wir uns im Krankenhaus?«
»Um zehn Uhr?«
»Gut.«
Banks erklärte Jenny, wie sie Lucys Zimmer fand. »Und ich sage den Eltern Bescheid, dass du vorbeikommst.« Er schilderte ihr den Weg. »Also, machst du es? Um was ich dich gebeten habe?«
»Sieht aus, als hättest du mich breitgeschlagen, oder?«
Banks stand auf, beugte sich vor und gab ihr einen flüchtigen Kuss
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