Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
anderes zu erwarten. Glücklicherweise schlief Roy in einem Feldbett im Zimmer der Eltern. So konnten Banks und Graham in ihrem Zimmer Radio Luxemburg im Transistorradio hören oder sich die schmutzigen Heftchen ansehen, die Graham nie auszugehen schienen.
Natürlich verbrachten sie nicht jede Minute zusammen. Graham war manchmal launisch, ungewöhnlich still, und im Nachhinein vermutete Banks, sein Freund habe so einige Probleme gehabt. Damals jedoch hatte er nicht weiter darüber nachgedacht, hatte sich einfach allein beschäftigt.
Am dritten Tag hatte Banks auf der Suche nach einem Ort, wo er sich in Ruhe hinsetzen und eine Zigarette rauchen konnte, abseits der Touristengegend ein Café in einem Souterrain entdeckt. Das hatte er längst vergessen, aber die Schilderung im Tagebuch ließ das Café in all seiner Pracht vor ihm auferstehen. Er konnte sogar das Zischen der Espressomaschine hören und die gerösteten dunklen Kaffeebohnen riechen.
Das Café hatte eine tropische Atmosphäre, Stuckwände und Palmen. Im Hintergrund lief leise Calypsomusik. Aber es war das Mädchen hinter der Theke, das Banks immer wieder dahin zog. Sie war viel zu alt für ihn, obwohl er älter wirkte, wenn er rauchte. Dann ging er für sechzehn durch und durfte in verbotene Filme. Bestimmt war das Mädchen über zwanzig und hatte einen älteren Freund mit Auto und viel Geld, so hübsch, wie sie war. Aber Banks verliebte sich in sie wie in das Mädchen vor der Fabrik. Sie hieß Linda.
Dass Linda schön war, verstand sich von selbst. Sie hatte langes dunkles Haar, strahlende blaue Augen, ein offenes Lächeln und Lippen, die Banks mit Küssen überhäufen wollte. Was er vom Rest ihres Körpers sah, wenn sie hinter der Theke hervorkam, war der Stoff, aus dem die Träume sind: wie Ursula Andress, wenn sie in Dr. No aus dem Wasser kommt. Und das Mädchen war nett. Linda unterhielt sich mit ihm, lächelte ihn an und gab ihm sogar einmal einen Espresso aus. Er sah ihr gern zu, wenn sie die Maschinen hinter der Theke bediente und beim Aufschäumen der Milch an ihrer Unterlippe nagte. Ein-, zweimal bemerkte sie seinen Blick und lächelte. Banks lief knallrot an. Ihm war klar, dass sie Bescheid wusste. Es war ein Geheimnis und ein Ort, den er nicht mit Graham teilte.
Im Laufe der Ferien machten Banks und Graham all das, was man im Urlaub so tut, einiges mit der Familie, einiges allein. Wenn es warm genug war, lagen sie in Badehose mit Banks' Eltern am Strand zwischen Scharen grobschlächtiger Nordengländer, die sich Taschentücher über den Kopf geknotet hatten. Sie gingen sogar ein paarmal ins Wasser, aber es war so kalt, dass sie schnell wieder hinausliefen. Meistens lagen sie einfach da, den Radiostöpsel im Ohr, und hofften, die Animals mit »We've gotta Get Out of This Place« oder die Byrds mit »Mr. Tambourine Man« zu hören. Dabei beobachteten sie verstohlen die Mädchen in ihren Badeanzügen.
Als Banks die Tagebucheinträge des restlichen Jahres las, staunte er, wie oft er sich mit Mädchen beschäftigt hatte, wie oft er an Sex gedacht oder davon geträumt hatte. In jenem Jahr bestimmten die Hormone sein Leben, so viel stand fest.
Der Höhepunkt der Woche war die Begegnung mit den beiden Mädchen gewesen, und an der Stelle wurden Banks' Aufzeichnungen wahrhaft aufregend. An einem schönen Abend hatten sich Banks und Graham zum Vergnügungspark Pleasure Beach gegenüber dem South Pier aufgemacht. Sie nahmen eine offene Straßenbahn, setzten sich aufs Oberdeck, begeisterten sich für die abendliche Beleuchtung und ließen sich den Wind durchs Haar wehen.
Der Vergnügungspark war ein Gewirr von Farben und Geräuschen: das Rattern der Karussells, das Schreien und Kreischen der Fahrgäste. Während Banks und Graham sich überlegten, auf welches Karussell sie zuerst gehen wollten, fielen ihnen die beiden Mädchen auf, die ungefähr in ihrem Alter waren. Die zwei beobachteten Banks und Graham, flüsterten miteinander und kicherten, wie Mädchen es immer tun. Es waren keine Mods, sie trugen Blusen und etwas längere Röcke, so wie es die konservativeren Eltern verlangten.
Irgendwann sprachen Banks und Graham die beiden an. Da Graham der Stillere, Launischere war, war es Banks, der den Mädchen Zigaretten anbot. Er wusste nicht mehr, was er gesagt hatte, aber irgendwie hatte er die Mädchen zum Lachen gebracht. Diesmal bekam er das Mädchen, das er besser fand, obwohl sie beide in Ordnung waren. Es war
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