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Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall

Titel: Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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ein Bekannter könne der Täter sein? Oder hatte sie das selbst schon vermutet? »Aber solche Leute haben wir nicht gekannt«, sagte sie.
      »Was für Leute?«
      »Sittenstrolche«, flüsterte sie.
      »Wir wissen nicht, ob es ein Sittenstrolch war.«
      »Das verstehe ich nicht. Das hat die Polizei doch gesagt. Wer soll es denn sonst gewesen sein?«
      »Das hat Jet Harris Ihnen gesagt?«
      »Ja.«
      »Hat mal jemand die Vermutung geäußert, Graham könnte von jemandem entführt worden sein, den er kannte?«
      »Du lieber Himmel, nein! Warum sollte das jemand tun?«
      »Tja, warum«, wiederholte Michelle. »Und Sie wissen nicht, ob Graham vielleicht schlechten Umgang hatte? Vielleicht an den Tagen, als er länger ausblieb oder den ganzen Tag über verschwunden war?«
      »Nein. Da war er bei seinen Freunden. Ich verstehe nicht, was Sie damit sagen wollen.«
      »Schon gut«, entgegnete Michelle. »Ich weiß selbst nicht genau, was ich sagen will. Ich will einfach nur wissen, ob Graham Freunde hatte, die Ihnen nicht recht waren, oder ob er sich mit unpassenden Leuten herumgetrieben hat.«
      »Ach so. Nein. Das waren alles ganz normale Jungs. Wir kannten die Mütter und Väter. Leute wie wir.«
      »Keine älteren Jungen? Keine Jungen, die einen schlechten Einfluss auf ihn hatten?«
      »Nein.«
      »Und Graham hatte nicht plötzlich mehr Geld als sonst?«
      Mrs. Marshall kniff die Augen zusammen. Michelle wusste, dass sie zu weit gegangen war. Und sie spürte, dass sie einen wunden Punkt berührt hatte.
      »Wollen Sie damit sagen, unser Graham war ein Dieb?«
      »Natürlich nicht«, ruderte Michelle zurück. »Ich hab mich nur gefragt, ob er irgendwo ausgeholfen hat, ohne Ihnen davon zu erzählen. Ein Nebenjob, zusätzlich zum Zeitungaustragen, vielleicht morgens während der Schulzeit.«
      Mrs. Marshall war noch immer misstrauisch. Bill Marshall schien alles genau zu verfolgen. Sein Gesicht war starr, nur seine schwarzen Augen gingen von einer Frau zur anderen. Wenn er bloß reden könnte, dachte Michelle. Aber es würde nichts nützen. Er würde nichts erzählen.
      »Wahrscheinlich ist es nur ein Zeichen dafür, dass ich auf der Stelle trete«, lenkte Michelle ein. »Es ist schon so lange her.«
      »Jet Harris hat immer gesagt, es waren die Moor-Mörder, das Pärchen, das ein Jahr später festgenommen wurde. Er meinte, wir würden den Rest unseres Lebens nicht mehr in den Schlaf kommen, wenn wir wüssten, wie viele junge Leben die beiden ausgelöscht haben und wo die Leichen vergraben sind.«
      »Das hat er gesagt?«, staunte Michelle. Wie praktisch. Mittlerweile war sie überzeugt, dass Detective Superintendent Harris den Fall mit aufgesetzten Scheuklappen geleitet hatte und dass Mrs. Marshall wie viele andere Mütter nicht den geringsten Schimmer hatte, was ihr Sohn tagsüber trieb. Ob der Vater es gewusst hatte? Bill Marshalls schiefes Gesicht verriet nichts, aber Michelle meinte, Argwohn in seinem Blick zu sehen. Und noch etwas lag darin. Michelle hätte es nicht mit Bestimmtheit sagen können, aber er sah aus, als hätte er ein schlechtes Gewissen. Sie holte tief Luft und nahm sich ein Herz.
      »Ich habe gehört, dass Ihr Mann damals in London für die Kray-Zwillinge gearbeitet hat.«
      Kurz herrschte Schweigen, dann sagte Mrs. Marshall: »Richtig für sie gearbeitet hat Bill nicht. Er hat mit ihnen geboxt. Wir kannten sie. Klar. Wir sind in derselben Gegend groß geworden. Alle kannten Reggie und Ronnie. Sind immer nett zu mir gewesen, die beiden, kann man sagen, was man will, und ich kenne ein paar Geschichten, da würden Ihnen die Haare zu Berge stehen. Aber im Grunde waren sie gute Jungs. Die Leute können es nicht haben, wenn andere erfolgreich sind, wissen Sie.«
      Michelle war sprachlos. Hier war nichts mehr zu holen, und wenn sie diesen Fall lösen wollte, dann ohne die Hilfe der Familie und ohne die Unterstützung von Ben Shaw. Und vielleicht unter Lebensgefahr. Denk an Melissa. Sonst bist du die Nächste ... Michelle versprach noch einmal, zur Beerdigung zu kommen, und verabschiedete sich hastig.
     
    Bei einem Madrascurry von Marks & Spencers überflog Banks abends zu Hause die Zeitung, schob das Paris Concert von Bill Evans in den CD-Spieler und goss sich zwei Fingerbreit Laphroaig ein. Dann machte er es sich mit seinem Tagebuch von 1965 auf dem Sofa bequem. War es Oscar Wilde gewesen, der gesagt hatte: »Ich reise nie ohne mein

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