Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall
Tee?«
»Eine Tasse Tee wäre nett«, sagte Michelle. Banks schloss sich an.
Michelle und Banks folgten Talbot in die Küche, einen hellen Raum mit hoher Decke und Kochinsel in der Mitte, gesäumt von Barhockern.
»Wir können uns hier unterhalten, wenn es Sie nicht stört«, sagte Talbot. »Meine Frau liegt mir immer in den Ohren, wir bräuchten einen Wintergarten, aber das sehe ich nicht ein. Bei schönem Wetter können wir genauso gut draußen sitzen.«
Durch das Fenster sah man auf einen gepflegten Rasen und akkurate Blumenbeete. Ein Mitglied dieser Familie war anscheinend ein begeisterter Gärtner. Eine Blutbuche spendete Schatten. Es wäre wirklich schön gewesen, draußen zu sitzen, aber nicht bei diesem Regen.
»Am Telefon haben Sie nicht verraten, worüber Sie mit mir sprechen wollen«, sagte Talbot über die Schulter und warf zwei Teebeutel in die Kanne.
»Weil es immer noch schwer zu definieren ist«, sagte Michelle. »Wie steht's mit Ihrem Gedächtnis?« Sie hatte sich mit Banks geeinigt, dass in erster Linie sie die Fragen stellte, da es ihr Fall war und Banks nicht offiziell daran arbeitete.
»Nicht schlecht für einen alten Mann.«
So alt sah Talbot gar nicht aus. Er hatte ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, und sein Haar war fast weiß, aber ansonsten war sein Gesicht erstaunlich glatt und seine Bewegungen geschmeidig. »Können Sie sich noch an Ihre Zeit bei der Polizei von Cambridge erinnern?«, fragte Michelle.
»Natürlich. Mitte der Sechziger war das. Peterborough. Damals hieß es Polizei Mid Anglia. Warum?«
»Erinnern Sie sich an einen gewissen Rupert Mandeville?«
»Ob ich mich erinnern kann ? Wie könnte ich das vergessen! Wegen der Affäre musste ich doch Cambridgeshire verlassen. Genau genommen, war es der Grund, warum ich kurze Zeit später aus dem Dienst ausgeschieden bin.«
»Würden Sie uns erzählen, was damals passiert ist?«
Der Wasserkessel kochte. Talbot füllte die Kanne mit kochendem Wasser und trug sie mit drei Tassen auf einem Tablett zur Kochinsel. »Nichts ist passiert«, sagte er. »Das war ja das Problem. Ich wurde angewiesen, den Fall ruhen zu lassen.«
»Von wem?«
»Vom Super.«
»Detective Superintendent Harris?«
»Jet Harris. Genau von dem. Nein, nein, das war schon alles einwandfrei. Nicht genug Beweismaterial, meine Aussage gegen die andere, ein anonymer Anrufer, so was halt. An Harris' Argumenten war nichts auszusetzen.«
»Was war dann das Problem?«
Talbot überlegte. »Ich hatte einfach ein komisches Gefühl dabei, mehr nicht. Anders kann ich es nicht ausdrücken. Es hatte schon seit einiger Zeit Gerüchte gegeben, dass im Mandeville-Haus irgendwas vor sich ging. Kuppelei, minderjährige Jungen, solche Sachen. Nun, schließlich kam damals die so genannte tabufreie Gesellschaft auf. Haben Sie schon mal den Namen Carlo Fiorino gehört?«
»Allerdings«, sagte Michelle.
Talbot goss den Tee ein. »Man munkelte, Fiorino würde alles besorgen, was man nur wollte. Wie auch immer, das Problem war, dass Rupert Mandeville sehr gute Beziehungen hatte. Einige seiner Partygäste saßen in der Regierung oder hatten andere einflussreiche Positionen. A la Profumo. Sicher, ich war damals der naive kleine Polizist, der gerade die Probezeit bestanden hatte. Ich war stolz, bei der Kripo zu sein, und glaubte, ich könnte die Welt verändern. Dienstgrad, Alter, damit hab ich mich nicht aufgehalten. Ich war der Überzeugung, dass wir vor Gottes Augen alle gleich sind, auch wenn ich nicht religiös bin. Nun, ich musste schnell einsehen, dass ich mich geirrt hatte. Mir wurden die Augen geöffnet. Als der Super herausbekam, dass ich bei Mandeville gewesen war und für Unruhe gesorgt hatte, bestellte er mich in sein Büro und gab mir unmissverständlich zu verstehen, dass Mandeville zu den Unberührbaren gehörte.«
»Hat er einen Grund genannt?«, wollte Michelle wissen.
»Das war nicht nötig. Das konnte man sich schnell ausrechnen.«
»Solche Aktivitäten oder ein Geschäft wie das von Fiorino brauchen polizeilichen Schutz«, erklärte Banks. »Und den hat Harris gewährt. Zum Teil jedenfalls.«
»Genau«, bestätigte Talbot. »Oh, aber er war geschickt. Er hat es nie offen ausgesprochen, und ehe ich mich versah, war ich in eine andere Grafschaft versetzt. Nach Cumbria. Ich bitte Sie! Nun, da oben bin ich wieder über ein, zwei nette kleine Absprachen zwischen
Weitere Kostenlose Bücher