Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
darauf aufmerksam, aber ich habe das Angebot leider nicht besonders ernst genommen.«
»Ich dachte, Sie hätten das Geld nicht nötig.«
West lachte. »Mein lieber Mann, deswegen lässt man sich noch lange nicht zum Narren halten.«
»Wie lange ist das her?«, wollte Banks wissen.
»Ach, nicht so lange. Vielleicht Oktober.«
»Wäre es eventuell möglich, den Brief herauszusuchen?«
West rief seine Sekretärin herein, eine dralle Frau in einem nüchternen Nadelstreifenkostüm. Sie verschwand und kehrte kurz darauf mit einer Mappe aus Büffelleder zurück.
»Wie erreichte Sie der Brief?«, fragte Banks die Sekretärin, bevor sie sich wieder entfernte.
»Er wurde von British Waterways an uns weitergeleitet«, erklärte sie. Fragend schaute sie Sir Laurence an. Als der nickte, gab sie Banks den Ordner. Er enthielt lediglich ein Blatt Papier, ein Brief, datiert vom 6. Oktober, knapp und sachlich abgefasst.
Der Absender erbot sich, eins der beiden Kanalboote zu kaufen - Toms Boot -, die in der Nähe von Molesby in dem toten Nebenarm des Eastvale Canal lagen. Als Bezahlung bot er zehntausend Pfund - nicht mehr, erklärte er, da das Boot aufwendig überholt werden müsse. Der Absender war Thomas McMahon.
Mark konnte das Meer hören und riechen, als er um kurz nach elf am Dienstagmorgen vom Busbahnhof von Scarborough den Hügel hinunter Richtung Strand lief. Nach einem Frühstück mit Spiegeleiern, Schinkenspeck, Würstchen, Pilzen und gegrillten Tomaten hatte er sein Quartier in Helmsley bezahlt und war zur Bushaltestelle auf dem Marktplatz gegangen. Dann war er in den Bus um halb zehn gestiegen und hatte aus dem Fenster auf die trübe, nebelige Landschaft gestarrt, bis der Bus das Moor bei Pickering verlassen hatte.
Sein einziger Plan war, so schnell wie möglich Arbeit zu finden. Mit dem Geld, das er Clive gestohlen hatte, würde er sich zumindest ein paar Tage ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen leisten können. Auf lange Sicht brauchte er jedoch etwas Zuverlässigeres.
Mark war gleichzeitig benommen und aufgeregt. Er wusste nicht, warum. Ein Teil von ihm war wie betäubt, weil er Tina verloren hatte. Ein anderer Teil hatte Angst vor dem, was ihn hinter der nächsten Ecke erwartete, was dort auf ihn lauern mochte. Schuldgefühle hatte er ebenfalls. Wenn er doch nur bei Tina auf dem Boot gewesen wäre statt bei dieser Schlampe Mandy. Irgendwo tief in ihm braute sich etwas zusammen, eine ziellose Wut, die immer stärker wurde. Ihm wurde klar, dass er Clive fast umgebracht hätte, wenn der in der Kurve nicht abgebremst hätte und Mark nicht so geistesgegenwärtig gewesen wäre, sich das Geld zu nehmen und zu verschwinden. Ihm fiel wieder ein, was der Bulle gesagt hatte: Das Feuer war kein Unfall gewesen. Das bedeutete, dass Tina umgebracht worden war, auch wenn sie vielleicht nicht das beabsichtigte Opfer war. Der einzige Mensch, der Grund hatte, Tina umzubringen, war Patrick Aspern. Wenn Mark an ihn dachte, wurde ihm schlecht vor Wut.
Von der Nordsee blies ein kalter Wind landeinwärts und schob dichte Wolken von der Farbe schmutzigen Spülwassers vor sich her. Nirgends war auch nur ein Fleckchen blauer Himmel zu sehen, kein einziger Sonnenstrahl ließ das Wasser glitzern. Die ganze Welt war grau.
Die Spielhallen unten an der Promenade waren geschlossen, Cafés und Pommesbuden verriegelt. Jimmy Corrigan's Spielautomaten, die Parade-Snack-Bar, der Strand - alles war verlassen. Nur ein Mann mit Mantel und Kapuze ging vornübergebeugt mit seinem Hund spazieren. Es war Flut. Wie geschmolzenes Metall krachten die Wellen an den Strand und schäumten über den braunen Sand. Wenige Gestalten liefen die Promenade entlang, ein altes Ehepaar, eine junge Familie. Wahrscheinlich wohnten die Leute hier, überlegte Mark. Scarborough war keine kleine Stadt, und wenn die Feriensaison vorbei war, mussten die Einwohner ja auch irgendwo spazieren gehen.
An der anderen Straßenseite, vor dem Geisterzug, parkte ein grauer Vectra. Darin saßen zwei Männer, die Tee tranken und Kitkat aßen. Beide warfen Mark immer wieder kurze Blicke zu. Mark schaute in die andere Richtung. Er wusste nicht, ob er die beiden kannte, aber es gab ja keinen Grund, sich ihnen regelrecht auszuliefern. Vielleicht war das Feuer an den Booten nicht von einem, sondern von zwei Personen gelegt worden, und zwar von diesen beiden. Die Hände tief in den Taschen vergraben, schlenderte Mark bis
Weitere Kostenlose Bücher