Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
zum Hafen, wo die Netze aufgerollt lagen und die Fischerboote für den Winter festgemacht waren.
Er wollte sich eine Zigarette anzünden, aber der Wind war zu stark. Nach drei Versuchen gab er es auf. Er würde später in einem warmen Pub rauchen. Es tat gut, am Meer zu sein. Mark wusste nicht warum, aber der Anblick von Wasser, das sich bis in unendliche Ferne erstreckte und irgendwo weit draußen auf den Himmel traf, flößte ihm eine tiefe Ehrfurcht ein. Die Art und Weise, wie Wasser sich unablässig veränderte, wie seine Oberfläche sich hob und senkte, wie die Schaumkronen dahinjagten, wie sich die großen Wellen brachen, das alles beeindruckte ihn. Das Meer verwies den Menschen an seinen Platz, es rückte die Perspektiven zurecht. Ewig hätte Mark es betrachten können.
Er stellte sich vor, wie die Matrosen früher bei einem solchen Wetter in Holzschiffen mit den geblähten Segeln über die Wellen hüpften, ohne dass Land in Sicht war. Wenn er damals gelebt hätte, wäre er auch gern Seemann geworden. Auf einem Walfänger. Die Harpunen hätte er nicht schleudern wollen, er mochte keine Wale töten, nein, Mark wäre gern der Steuermann gewesen, der neue Welten entdeckte. Er konnte immer noch zur Handelsmarine, wenn man ihn dort nehmen würde. Dann würde er den Rest seines Lebens zur See fahren. Die Schiffe waren heute komfortabler, dennoch wäre man noch immer der Gnade des Meeres ausgeliefert.
Aus dem Augenwinkel bemerkte Mark, dass der Vectra hinter ihm langsam losfuhr. Mark ging am leeren Kirmesgelände vorbei zum Marine Drive. Der Wagen überholte ihn nicht, sondern folgte ihm langsam in ungefähr zwanzig Meter Entfernung. Waren die ihm wirklich auf den Fersen? Mark riskierte einen Blick nach hinten. Er glaubte zu erkennen, dass einer der beiden Männer mit dem Handy telefonierte.
Mark fühlte sich ungeschützt, ausgeliefert. Der Marine Drive wand sich um Castle Hill herum - auf der einen Seite war die kalte Nordsee, auf der anderen die steinige Felswand. Keine Fluchtmöglichkeit. Der Wind heulte Mark in den Ohren, die Wellen schäumten über Hafendamm und Geländer. Innerhalb kurzer Zeit war Mark durchnässt.
Der Vectra blieb zwanzig Meter hinter ihm, egal wie schnell Mark ging. Nur wenige Menschen trotzten dem Wetter, sie waren entsprechend angezogen. In der Ferne schaukelte die dunkle Silhouette eines Schiffes auf den Wellen. Mark fragte sich, was es da draußen machte und wie es an Bord wohl zuging. Waren dort Menschen in Gefahr? Er sah keine Signallichter, kein Leuchtfeuer, kein SOS. Die Besatzung war dem Sturm ausgesetzt, genau wie er.
Das Auto war immer noch hinter ihm. Mark ging schneller, rannte schon fast. In dem Augenblick schoss es an ihm vorbei, stellte sich wenige Meter vor ihm quer und versperrte den Bürgersteig.
Mark machte kehrt und lief in die andere Richtung, zurück zur Stadt. Das Türenschlagen und die Schreie hinter sich ignorierte er. Er konnte nicht verstehen, was die Männer riefen, Wind und Wellen waren zu laut. Mark raste auf die Promenade zu. Wenn es ihm gelang, in das Labyrinth aus Gassen hinter den Spielhallen einzutauchen, konnte er die Verfolger eventuell abschütteln.
Er war nicht weit gekommen, da spürte er eine Hand auf der Schulter. Er schüttelte sie ab und lief weiter, aber es nützte nichts. Seine Beine rutschten unter ihm weg, er fiel hin. Hart schlug er mit dem Kopf auf den Bürgersteig. Mark fühlte ein Knie zwischen den Schulterblättern. Ein Arm wurde ihm auf den Rücken gedreht. Es tat höllisch weh. Unwillkürlich schrie er auf. Dann lag er still. Er hörte die beiden Männer reden, verstand aber nicht, was sie sagten. Auf den Lippen und auf der Zunge schmeckte er Blut und Salz, als sie ihn hochzogen und zum Auto schleppten. Er schrie, aber niemand kam ihm zu Hilfe. Eine letzte große Woge klatschte auf den Hafendamm und durchnässte alle drei von oben bis unten. Dann wurde Mark in den Vectra geschoben.
Die Autovermietung lag an der Umgehungsstraße westlich des Zentrums von York, nur einen Steinwurf vom Park & Ride-Parkplatz Askham Bar entfernt. Der Besitzer hieß Charlie Kirk. Gute Lage für so ein Geschäft, dachte Annie. Man kam am Bahnhof an und nahm den Bus zum Park & Ride. So brauchte man sich keine Sorgen um den furchtbaren Verkehr im Zentrum oder die Parkplätze zu machen.
Wie schon so oft, hatte sich die Lauferei mal wieder gelohnt. Offenbar war dies der Laden, wo der Mörder seinen Cherokee gemietet
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