Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
Aber Sie verstehen schon, was ich meine, wenn ich sage, dass sich das Verhältnis zu den Kindern ändert, wenn sie älter werden.«
»Kam Christine nicht mehr so oft vorbei?«
»Genau. Oma und Opa zu besuchen ist wirklich das Letzte, wozu ein Mädchen in dem Alter Lust hat.«
»Jungen genauso wenig«, ergänzte Banks. »Ich war auch nicht anders.« Banks' Großeltern hatten in London gewohnt, daher hatte er sie nicht oft gesehen. Er konnte sich nur noch an endlose, verregnete Zugfahrten mit seinen Eltern und seinem Bruder Roy erinnern, an die alte Hornby-Eisenbahn, die Opa Banks für ihn zum Spielen im Gästezimmer aufgestellt hatte, an die Kriegserinnerungsstücke auf dem Speicher - ein Stahlhelm, eine Patronenhülse und eine Gasmaske - und an die Kaninchenställe im großen Garten von Opa Peytons Haus, von dem aus man auf die Eisenbahnschienen schaute. Nachts rumpelten lange Züge durch seinen Schlaf. Als Banks siebzehn war, waren seine Großeltern tot. Es machte ihn traurig, sie nicht besser kennen gelernt zu haben. Beide Großväter waren im Ersten Weltkrieg gewesen, er hätte sie gerne nach ihren Erfahrungen befragt.
Aber als Kind war ihm das egal gewesen. Erst heute interessierte ihn das Thema. Er hoffte, Brian und Tracy würden ihn nicht erst zum Großvater machen, wenn er längst ein alter Tattergreis geworden war. »Aber manchmal haben Sie sie schon gesehen, oder?«, fragte er.
»Doch«, erwiderte Maurice Redfern. »Aber sie war verschlossen.«
»Hatten Sie mal den Verdacht, da würde irgendwas nicht stimmen?«
Die Muskeln in Redferns Gesicht spannten sich an. »Was meinen Sie mit >nicht stimmen«
»Haben Sie zum Beispiel mal an Drogen gedacht? So was kommt bei Jugendlichen öfter vor.«
»Ich habe nie Anzeichen dafür bemerkt.«
»War sie glücklich?«
»Was für eine seltsame Frage«, sagte Maurice. »Ich gehe davon aus. Ich meine, sie hat nie was darüber gesagt. Sie lebte in ihrer eigenen Welt. Ich nahm an, sie fühlte sich wohl. Jetzt sieht es so aus, als hätte ich mich geirrt.«
»Ja? Warum?«
»Sonst wären Sie doch wohl nicht hier und würden uns all diese Fragen stellen, oder?«
»Dr. Redfern, es tut mir Leid, wenn es den Anschein hat, als würde ich in Ihrer Privatsphäre herumschnüffeln, aber ich leite eine Mordermittlung. Wenn Sie auch nur das Geringste über den Geisteszustand Ihrer Enkeltochter vor ihrem Tod wissen, dann sollte Ihnen klar sein, dass es sehr wichtig für uns sein könnte.«
»Wir wissen überhaupt nichts«, bemerkte seine Frau. »Wir sind eine ganz normale Familie.«
»Gehen wir ein bisschen weiter zurück«, sagte Banks. »Wie alt war Christines Mutter, als sie schwanger wurde?«
»Sechzehn«, antwortete Maurice.
»War sie ein sehr wildes Mädchen?«
Er dachte kurz nach, den Finger auf den Lippen, dann sagte er: »Nein, das würde ich nicht sagen, oder was meinst du, Schatz?«
»Überhaupt nicht«, bestätigte Julia. »Sie war einfach nur dumm. Unerfahren. Einmal reicht ja.«
»Und der Vater war ein amerikanischer Student?«
»Angeblich«, erwiderte Dr. Redfern. »Er war ja sofort wieder von der Bildfläche verschwunden.«
»Wie war Frances als Mutter?«
»Sie hat sich bemüht«, erklärte Julia. »Es war schwierig, sie war so jung und so unerfahren, aber sie hat es versucht. Sie liebte Christine wirklich.«
»Gab es Dr. Aspern damals schon?«
»Ich kenne Patrick Aspern nun schon seit fast dreißig Jahren«, sagte Redfern. »Er war mein Assistent im Krankenhaus, und in Alwoodley haben wir sogar eine Zeit lang zusammengearbeitet.«
»Sie waren also sein Mentor?«
»So kann man das nennen. Und sein Freund, hoffe ich.«
»Was hielten Sie von Dr. Asperns Interesse an Ihrer Tochter?«
»Wir haben uns für beide gefreut.«
»Wann merkten Sie das?«
»Was meinen Sie?«
»Ich nehme an, dass Patrick Aspern in Ihrem Haus ein-und ausging. Zeigte er schon vor Christines Geburt an Frances Interesse?«
»Das ist ja lächerlich«, gab Maurice zurück. »Da war sie ja noch keine sechzehn. Er kannte sie natürlich, sozusagen seit sie auf der Welt war. Aber Frances hat erst mit einundzwanzig geheiratet, da war sie längst volljährig. Es war nichts Unanständiges oder Anrüchiges daran. Außerdem kann ein älterer Mann mehr Stabilität und Erfahrung in eine junge Familie bringen. Das brauchte Frances.«
»Das heißt,
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