Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
Wann hatte es angefangen? Als Tina sechs, sieben, acht, neun oder zehn war? Noch früher? Hatte er sich schon für Frances als Kind interessiert? Banks hätte es gern herausgefunden, wusste aber nicht, wie er eine direkte Antwort auf diese Fragen bekommen sollte. Mal sehen, ob er auf indirektem Weg ans Ziel kam.
»Hatte die Heirat irgendwelche Auswirkungen auf Christine?«, fragte er.
»Nun, sie bekam einen Vater«, erwiderte Maurice. »Ich würde sagen, das ist schon ziemlich wichtig für ein Kind, nicht wahr? Auch wenn die heutigen Interessenvertreter das anders sehen.«
»Benahm sie sich nach der Hochzeit irgendwie anders?«
»So oft haben wir sie nicht gesehen, das wissen wir nicht. Damals hatten sie schon ein eigenes Haus, draußen in Lawnswood, in der Nähe von dem neuen Haus. Aber ich denke schon, dass Christine Schwierigkeiten hatte, sich an die neue Situation zu gewöhnen, das ist doch normal.«
»Wenn sie mit der Kleinen zu Besuch kamen, war sie dann wie immer?«
»Ja«, sagte Maurice. »Aber dann ...«
»Was dann?«
»Sagte ich ja bereits. Als Jugendliche wurde sie anders.«
»Verschlossener?«
»Irgendwie schon. Still und nachdenklich. Mürrisch. Sie konnte auch ziemlich schnippisch werden, wenn man sie zu sehr bedrängte. Die Hormone.«
Oder Patrick Aspern, dachte Banks. Nun hatte er doch eine Antwort bekommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte es angefangen, als Christine in die Pubertät kam. Wo die einen aufhören, fangen die anderen an.
»Haben Sie sie noch mal gesehen, nachdem sie zu Hause ausgezogen ist?«
Die Redferns wechselten einen Blick, und Julia nickte. »Sie kam mal vorbei«, erklärte sie, den Tränen nahe. »Maurice war unterwegs. Oh, sie sah furchtbar aus, Mr. Banks. Ich war wirklich ...« Sie schüttelte den Kopf und nahm sich ein Taschentuch aus einer Schachtel auf der Fensterbank. »Sie tat mir so Leid. Entschuldigung. Ich hab mich so aufgeregt.«
»Inwiefern sah sie furchtbar aus?«
»Sie war so dünn und blass. Ihre Nase lief ununterbrochen. Das ganze Gesicht war voller Pickel, die Haut sah schlimm aus. Trocken und fleckig. Sie war so ein hübsches Mädchen gewesen. Ich sage das nicht gerne, aber ihre Kleidung war dreckig und ... sie roch.«
»Wann war das?«
»Kurz nach ihrem Auszug. Vor ungefähr einem Jahr.«
Da lebte sie in dem besetzten Haus in Leeds. Vielleicht hatte sie Mark noch nicht kennen gelernt. »Was wollte sie?«
»Geld.«
»Haben Sie ihr was gegeben?«
Julia schaute ihren Mann an. »Fünfzig Pfund. Mehr hatte ich nicht da.«
»Hat sie was gesagt?«
»Nicht viel. Ich habe versucht, sie zu überreden, zu Patrick und Frances zurückzukehren. Die beiden waren natürlich fast verrückt vor Sorge.«
»Was hat sie darauf gesagt?«
»Dass sie nicht zurückgehen würde. Niemals. Sie regte sich unheimlich auf.«
»Hat sie gesagt, warum?«
»Was?«
»Warum sie nicht zurückwollte. Warum sie weggegangen ist.«
»Nein, sie regte sich nur sehr auf, als ich das Thema ansprach, und weigerte sich darüber zu sprechen.«
»Was glauben Sie, warum sie ausgezogen ist?«
»Ich dachte, es hätte was mit einem Jungen zu tun.«
»Mit einem Jungen? Wieso? Hat Patrick Aspern das gesagt?«
»Nein ... das ... hab ich mir so gedacht. Sie war genau so alt wie ihre Mutter, als sie ... ich weiß nicht. Es ist ein schwieriges Alter für junge Mädchen. Sie möchten schon erwachsen sein, aber sie haben keinerlei Erfahrung. Sie verlieben sich in den nächstbesten Rumtreiber, und ehe man sich's versieht, sind sie schwanger.«
»So wie Frances?«
»Genau.«
»Sie dachten also, es finge von vorne an?«
»Wahrscheinlich.«
»Haben Sie Ihre Tochter oder Ihren Schwiegersohn nach dem Grund gefragt, warum Christine mit sechzehn von zu Hause weg ist?«, hakte Banks nach.
Julia drückte die Hände auf die Ohren. »Hören Sie auf! Er soll aufhören, Maurice!«
»Schon gut, Mrs. Redfern. Ich will Sie nicht bedrängen. Ich halte mich zurück. Machen wir mal eine Pause und beruhigen uns. Atmen Sie tief durch.« Er trank den Tee aus. Er war lauwarm geworden.
»Wie Sie sehen, Mr. Banks«, sagte Maurice, »nimmt uns das sehr mit. Ich verstehe nicht, was das alles mit Christines traurigem Tod zu tun haben soll. Vielleicht ist es jetzt genug.«
»Mord ist nun mal eine traurige Angelegenheit, Dr. Redfern. Ich bin
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