Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
Chance gehabt. Tränen liefen über Marks Wangen, und zum hundertsten Mal zerrissen ihn die Schuldgefühle. Wenn er bloß nicht Mandy hinterhergelaufen wäre, wenn er bloß nicht ... wenn, wenn, wenn ...
Dunkle Felder erstreckten sich auf beiden Seiten der Straße, nackte Äste ragten wie Klauen in den Sternenhimmel, hin und wieder erkannte Mark in der Ferne das einsame Licht eines Bauernhauses oder die Laternen eines kleinen Dorfes. Kurz musste er an Banks' warnende Worte denken, er schwebe möglicherweise in Gefahr, könne das nächste Opfer sein. Mark erschauderte. Hinter ihm raschelte es, etwas bewegte sich in der Dunkelheit. Aber es war nur der Wind in den Bäumen. Warum sollte ihn jemand umbringen wollen? Er wusste doch nichts. Aber Tina hatte auch nichts gewusst.
Mark war nicht klar, wohin er lief; er konnte einfach nicht stehen bleiben. Wenn er immer so weiterging, würde er irgendwann ans Meer kommen. Vielleicht würde er sich dort niederlassen. Eine Arbeit an der Küste war ziemlich leicht zu finden, ohne dass Fragen gestellt wurden. Es mussten ja viele Touristen versorgt werden. Das hatte Drake aus dem besetzten Haus Mark erzählt. Drake hatte in Blackpool gewohnt und auf einem der Karussells am Pleasure Beach gearbeitet. Hatte behauptet, er hätte ein Schweinegeld verdient und vielen Leuten einen Job verschafft. Aber nicht im Januar. Im Januar war Blackpool eine kalte, einsame Stadt.
Aber vielleicht gab es irgendwo eine Baustelle. Gebaut wurde schließlich immer. Und dann das Meer! Mark liebte das Meer.
Vom Laufen war ihm warm geworden, aber als er nun langsamer ging, wurde ihm wieder kälter, so kalt wie in der Nacht, als er die brennenden Boote beobachtet hatte. War das erst vorgestern gewesen? Es kam ihm ewig vor. Tina war erst seit zwei Tagen tot. Würde der Rest seines Lebens ohne sie so furchtbar sein wie die ersten beiden Tage? Vielleicht sollte er sich einfach umbringen. Das würde ihnen recht geschehen! Seiner Mutter - Friede ihrer erbärmlichen Seele, auf dass sie in der Hölle schmorte! -, Crazy Nick, Lenny, seiner Frau, der Polizei, allen. Genau, er würde Schluss machen. Zu Tina gehen. Dann müsste der Kerl, der sie auf dem Gewissen hatte, nicht auch noch ihn umbringen. Aber Mark wusste, dass er nicht mutig genug war. Und er glaubte nicht an ein Wiedersehen nach dem Tod, auch wenn die Gläubigen das behaupteten.
Er zog den mit Vlies gefütterten Mantel enger um sich und schlug den Kragen hoch. Jetzt trug er schon die Klamotten eines Bullen. Das war der Hammer! Es würde ihnen wirklich allen recht geschehen, wenn er sterben würde, oder? Er wusste nicht einmal mehr, ob ihm das etwas ausmachte, ob es wirklich eine gute Idee war. In ihm wurde langsam alles taub, genau wie seine Füße, und Mark wurde klar, dass er sich gar keine Gewalt antun musste, um zu sterben. Es wäre ganz einfach: Er müsste nur ein abgelegenes Plätzchen finden, die gab's hier reichlich, und sich hinlegen. Angeblich war es genauso wie Einschlafen. Erst wurde einem kalt, dann wurde alles taub, sodass man nichts mehr spürte, dann fiel man ins Koma und starb. Er war ja schon so gut wie tot. Mark sah einen Zaunübertritt und den Umriss einer baufälligen Scheune auf dem Feld dahinter, durch deren kaputte Fenster Mondlicht hineinfiel. Die würde reichen, dachte Mark, zumindest für die Nacht. Und wenn er dort starb ... na, das würde all diesen Schweinen recht geschehen, oder?
Es war längst Sperrstunde, als sich Banks und Annie zu Jack Mellor an den Tisch neben dem Kamin im Fox and Hounds gesellten, aber solange die Polizei da war und trank, hatte der Wirt keine Eile, seinen Laden zu schließen.
Banks entließ Constable Locke, der seit Beginn der Befragung am Tatort auf Mellor aufgepasst hatte, und bestellte drei doppelte Brandys - womit er gegen mehrere Polizeivorschriften und Gesetze gleichzeitig verstieß. Das war ihm scheißegal. Draußen war es eisig kalt, er musste sich irgendwie aufwärmen. Annie schien auch dankbar zu sein für den Kamin und setzte sich ganz nah ans Feuer. Der Brandy kam ihr offensichtlich auch recht, so wie sie den ersten Schluck trank. Nur Mellor, dessen Hund neben ihm zusammengerollt auf dem Boden schlief, ließ sein Glas unberührt auf dem Tisch stehen, aber er hatte ja schon etwas getrunken. Sein mondförmiges Gesicht war nicht mehr ganz so blass wie am Brandort. Der Wirt legte Holzscheite in den Kamin nach. Krachend sprühten Funken und verbreiteten eine
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