Inspector Alan Banks 14 Kein Rauch ohne Feuer
noch nicht von den Turner-Bildern und dem Geld erzählen, das in Gardiners Safe aufgetaucht war. Erst wollte sie Banks fragen, ob er einverstanden wäre, Phil als Berater mit ins Boot zu holen.
»Hast du denn nicht irgendeinen Verdacht?«
»Ich kann dir doch wohl kaum mitteilen, wenn mir jemand verdächtig vorkommt, oder?«
»Dann hast du also doch ein Geheimhalteabkommen unterzeichnet!«
Annie lachte und schenkte sich nach. Sie war ein bisschen beschwipst, aber sie hatte ein langes Wochenende hinter sich, und die Erkältung machte ihr noch immer zu schaffen. »Das ist wie bei Ärzten und Anwälten«, erklärte sie.
»Man muss schweigen, bis der Verdächtige verhaftet wird?«
»Genau, dann gilt es nicht mehr. Hör mal, du hast noch gar nicht gesagt, wie lange du diesmal bleibst.«
»Ich weiß es auch noch nicht. Im Büro ist es momentan ziemlich ruhig, aber es kann natürlich immer was kommen, und dann muss ich zurück.«
»Vielleicht ein verdächtiger Vermeer? Oder ein dubioser Degas?«
Phil musste lachen. »So ähnlich. Hör mal, hast du Lust auf ein Wochenende in New York?«
»New York!« Annie war noch nie in Amerika gewesen. Im September hatte sie mit Phil Paris besucht und kaum die Möglichkeit gehabt, ihr eigenes Geld loszuwerden. New York konnte sie sich auf keinen Fall leisten, aber sie wollte die Reise nicht wieder von ihm geschenkt bekommen.
»Ja! Nächstes Wochenende. Leider in erster Linie geschäftlich. Ich muss mich mit ein paar Galeristen und Kunsthändlern treffen. Aber wir könnten in eine Broadway-Show gehen und hinterher was essen.«
»Ich glaube nicht, dass ich nächstes Wochenende frei habe.«
»Wegen dieses Falls?«
»Ja. Und dann das Geld ...«
»Ach, darüber mach dir keine Sorgen. Das ist eine Geschäftsreise. Zahlt die Firma.«
»Für uns beide?«
»Klar! Du bist meine Sicherheitsberaterin.« 228
Lachend brachte Annie das Geschirr zur Spüle. »Das hört sich wirklich toll an, aber ...«
»Sag wenigstens, dass du es dir überlegst.«
»Ich überleg's mir.« Annie spürte Phil hinter sich, noch ehe er seine Hände auf ihre Hüften legte und mit den Lippen die Beuge zwischen Nacken und Schulter berührte. Sie wollte sich ihm entwinden, aber er schlang die Arme um sie und drückte sie so fest an sich, dass sie seine Erektion fühlte. Unwillkürlich stiegen Angst und Panik in ihr auf. Bilder der drei Jahre zurückliegenden Vergewaltigung blitzten vor ihrem inneren Auge auf. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Doch inzwischen hatte sie gelernt, diese Gefühle zu kontrollieren, und auch wenn sie Sex nicht völlig unbeschwert genießen konnte, so lief sie immerhin nicht mehr vor ihm davon.
»Lass das Geschirr stehen«, murmelte Phil und lockerte seine Umarmung.
Annie drehte sich zu ihm um. Merkwürdig, die Panik verschwand ungewöhnlich schnell, Hitze durchfuhr ihren Unterkörper, ihre Knie wurden weich. Mit Alan war das nicht so gewesen, dachte sie und schämte sich sofort für diesen Vergleich. Sie lächelte zu Phil auf. »Okay. Bleibst du heute Abend hier?«
»Ich hab keine Zahnbürste dabei.«
Annie lachte und vergrub das Gesicht in seinem weichen Baumwollhemd. »Ich glaube, ich hab noch eine unbenutzte oben im Badezimmer.«
»Wenn das so ist ...«, erwiderte Phil. Er ließ die Arme sinken, und Annie nahm seine Hand und führte ihn die Treppe hinauf.
* 9
Am Montagmorgen machte Annie einen selbstzufriedenen Eindruck, und Banks vermutete, dass das nicht an der Arbeit lag. Sie saß ihm in seinem Büro gegenüber und schlug die Beine übereinander. Annie trug enge schwarze Jeans und ein rotes Oberteil aus einer Art Seide, sodass es bei jeder Bewegung raschelte. Ihr Haar war ein wenig zerzaust, die Erkältung offenbar auf dem Rückzug. Sie strahlte von innen heraus, und irgendwie gefiel Banks das nicht.
»Also«, sagte sie, »ich hab jedenfalls mit Roland Gardiners ehemaligem Chef gesprochen. Sieht so aus, als hätte Roland einen Warenkreditbetrug in der abgespeckten Version durchgezogen.«
»Ach, tatsächlich?« Bei einem Warenkreditbetrug gründete man in betrügerischer Absicht eine Firma - mit Computersoftware heutzutage kein Problem - und kaufte Waren oder Dienstleistungen, ohne sie zu bezahlen. Ein richtiger Warenkreditbetrug funktionierte allerdings erst nach gewisser Zeit, außerdem brauchte man Kapital. Zu Anfang musste man die
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